Gedenkstätte für die Lübecker Märtyrer eingeweiht

"Die Lübecker Märtyrer bringen die Kirchen zusammen"

Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen hat eine Gedenkstätte für vier Lübecker Märtyrer eingeweiht und im domradio.de-Interview darüber gesprochen.

Gedenkstätte für die Lübecker Märtyrer (dpa)
Gedenkstätte für die Lübecker Märtyrer / ( dpa )

domradio.de: Am 10. November 1943 wurden die Kapläne Johannes Prassek, Eduard Müller und Hermann Lange zusammen mit dem evangelischen Pastor Karl-Friedrich Stellbrink wegen Widerstands gegen den Nationalsozialismus hingerichtet. Herr Erzbischof, welche Bedeutung haben denn die Lübecker Märtyrer für die Stadt, für das Erzbistum und noch darüber hinaus?

Thissen: Für die Stadt haben die Lübecker Märtyrer schon lange eine große Bedeutung. Also, das Gedenken ist ja praktisch seit 1944, da noch still, aber dann seit 1945 immer wieder jedes Jahr gefeiert worden. Inzwischen aber kommen so viele Menschen von außerhalb nach Lübeck, dass es einfach notwendig war, diesen Ausstellungsraum zu schaffen, damit sie was sehen können, was hören können, damit sie in die Atmosphäre der Zeit damals eintauchen können und sich fragen können, was das für uns heute bedeutet, was die Lübecker Märtyrer getan haben.

domradio.de: Diese kleine Gedenkstätte ist in der Propsteikirche Herz Jesu in Lübeck. Sie haben sie gestern eingeweiht. Was ist das für eine Gedenkstätte?

Thissen: Es ist eine sehr moderne Konzeption und ich merkte, als ich mit den vielen Besucherinnen und Besuchern nach der Einweihung dann dort stand, dass die Darbietung ihnen sehr entgegen kommt. Man kann also auf der einen Seite sehen, wie die Zeitgeschichte damals war, wie das in der Zeit des Nationalsozialismus war und man kann sehen und hören und lesen, wie die Lübecker Märtyrer mit dieser enormen Herausforderung der Diktatur umgegangen sind, wie sie nicht dem Diktatur gehorcht haben, sondern ihrem Gewissen.

domradio.de: Geben Sie uns vielleicht nochmal einen kleinen Einblick, für alle die, die das nicht wissen. Was war die besondere Leistung des Widerstands der Lübecker Märtyrer?

Thissen: Die drei Lübecker Kapläne und der evangelische Pastor haben kein Blatt vor den Mund genommen, als sie den Fremdenhass und die Gewissenlosigkeit Hitlers gegenüber Behinderten anprangerten. Es wurde ihnen gesagt, seid vorsichtig, das lässt Hitler sich nicht gefallen. Aber sie haben mutig ihr Wort gemacht und sie haben sehr praktisch geholfen. Es gab in Lübeck viele Fremdarbeiter, die als Menschen fünfter Klasse behandelt wurden. Die Kapläne sind dorthin gegangen, haben sie unterstützt in den Dingen des täglichen Bedarfs und haben damit deutlich gemacht: Menschenrechte gelten für alle Menschen.

domradio.de: Was kann man denn heute von den Lübecker Märtyrern lernen? Sind sie Vorbild auch für die heutige Zeit?

Thissen: Das ist gerade das Anliegen auch der Ausstellung. Ich habe der Ausstellung drei Aufträge gegeben: Einmal die geistliche Dimension, das waren alle vier gläubige Menschen, die an die Auferstehung der Toten glaubten und auch an ihre eigene, sonst hätten sie nicht so mutig diesen Weg gehen können. Also der geistliche Auftrag. Der ökumenische Auftrag: dass damals, in den vierziger Jahren, Geistliche unterschiedlicher Konfessionen gemeinsame Sache machten, das war recht ungewöhnlich. Und dann aber auch den politischen Auftrag, der ebenfalls für heute wichtig ist, denn Fremdenfeindlichkeit gibt es ja nun auch heute, mal latent und mal offen. Und alle drei Bereiche nehmen uns für heute auch in die Pflicht.

domradio.de: Ich würde gerne zum Schluss nochmal auf den zweiten Bereich eingehen. Heißt das, die Lübecker Märtyrer und der evangelische Pastor, also diese vier Gestalten aus Lübeck sind auch Vorbild für ein ökumenisches Handeln in der Zukunft?

Thissen: Auf jeden Fall. Wir werden weiterhin den gemeinsamen Weg der Verehrung dieser vier Märtyrer gehen, auch wenn wir da unterschiedliche Aspekte besonders betonen. Aber wir versuchen alles in guter Gemeinsamkeit zu machen und das bringt uns zusammen. Das hilft uns in unserem ökumenischen Miteinander und auch die über dreißig Ehrenamtlichen, die dort in der Ausstellung zur Verfügung stehen, sind aus beiden Kirchen. Wir haben sie geschult, so dass sie über die geistlichen Aspekte, die ökumenischen Aspekte, die politischen Aspekte gut informiert sind und das auch weitergeben können an die Besucher. Mir liegt dran, dass die Besucher nicht alleine gelassen werden, sondern dass Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner da sind, die auch Fragen beantworten können.

Das Interview führte Matthias Friebe


Quelle:
DR