Die Gefahr weiterer islamistischer Anschläge muss nach Worten des Gewaltforschers Andreas Zick ernst genommen werden. Zwar sei man heute klüger als vor der Terrorwelle vor wenigen Jahren, "gerade in Krisenzeiten ist das Gefährdungspotenzial immer da", sagte Zick in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Auch der Aufschwung des Rechtsextremismus in den letzten Jahren steckt Islamisten an."
Nach der Tat in Wien müsse damit gerechnet werden, dass Terrorgruppen zunehmend einzelne Menschen aufsuchten und sie zu ähnlichen Taten ermunterten. Das seien nicht nur einfache Nachahmungstaten. "Terrororganisationen passen die Taten an die Möglichkeiten derjenigen an, die sie für Terrorakte aussuchen", erklärte der Wissenschaftler.
Wissen über die Terrorzellen sei wichtig
Die jüngsten Terroranschläge machten deutlich, dass die digitalen Netzwerke des Terrors wieder enger und klarer in ihrer Plänen geworden seien, erläuterte Zick. Allein um zu zeigen, dass sie die Kontrolle hätten und noch existierten, würden islamistische Terrorgruppen fortlaufend Aktionen diskutieren.
Die Zahl der Gefährder sei bekannt. "Um eine gute Bedrohungs- und Risikoanalyse vorzunehmen, müssen wir aber mehr Wissen haben", mahnte der Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt - und Gewaltforschung der Universität Bielefeld. "Wir müssen wissen, welche Netzwerke sich über Terrorziele gebildet haben, welche Geldflüsse existieren." Auch müsse besser erforscht werden, welche Menschen anfällig seien.
Auch nach dem IS seien Leute radikalisiert
Die Herausforderung der extremistischen Radikalisierung im Bereich Islamismus sei zwar in der Gesellschaft bewusst, erklärte der Wissenschaftler. Vernachlässigt worden sei jedoch, dass die Gefahr der Radikalisierung junger Menschen weiterbestehe, die die Feindbilder teilten und die anfällig seien aufgrund sozialer und psychischer Probleme. Diese würden sich in Selbstbildern von "Kriegern" erst inszenieren und dann gemeinsam mit anderen zu Aktionen verabreden.
Die Zerschlagung des "Islamischen Staates" und anderer terroristischer Vereinigungen führe nicht dazu, "dass radikalisierte Personen hier aufhören, radikal zu sein", warnte der Konfliktforscher.
Gegen Ideologien und Gewalt vorgehen
Der Staat investiere bereits in die Prävention, es gebe jedoch "noch Luft nach oben", sagte Zick. Es gehe dabei nicht nur um eine gezielte Prävention gegen den islamistischen Terror oder andere extremistische Gruppen. Vielmehr müsse Prävention gegen Ideologien und Gewalt verstärkt werden. Nötig sei auch eine bessere Risiko- und Bedrohungsanalyse, etwa von inhaftierten Tätern.
Auch die Zivilgesellschaft ist nach Worten des Forschers gefordert: Sie müsse Gewalt als Phänomen ernst nehmen. Zudem müsse man wachsam sein, wenn man merke, dass Menschen sich missachtet fühlten und anfingen, "radikale Ideen immer stärker durch religiöse Ideen oder politische Vorstellungen zu rechtfertigen".