Theologe: Verschwörungsglauben nicht das Feld überlassen

"Gegen das Klima des Hasses und Misstrauens"

Der evangelische Theologe Matthias Pöhlmann sieht Christen in der Pflicht, gegen Verschwörungsglauben deutlich Widerspruch einzulegen. Den Begriff "Verschwörungstheorie" sieht er aus bestimmten Gründen hingegen als problematisch an.

Der "Aluhut" als Symbol für Verschwörungsglaube / © Suzanne Tucker (shutterstock)
Der "Aluhut" als Symbol für Verschwörungsglaube / © Suzanne Tucker ( shutterstock )

Den einfachen Antworten eines Verschwörungsglaubens dürfe nicht das Feld überlassen werden, heißt es in einem Beitrag des Beauftragten für Sekten- und Weltanschauungsfragen der bayerischen Landeskirche in dem jetzt erschienenen Buch "Corona und Religionen - Religiöse Praxis in Zeiten der Pandemie".

Für den christlichen Glauben biete sich die "Chance, die mit der Corona-Pandemie ausgelösten Unsicherheiten, den eigenen Kontrollverslust zu reflektieren und auszuhalten". Der Band wurde herausgegeben von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW) in Berlin.

"Kultur der Rücksichtsnahme" etablieren

Die Corona-Pandemie erfordere zudem, eine "Kultur der Rücksichtsnahme gegenüber Schwächeren neu einzuüben", fügte Pöhlmann hinzu: "Die Antwort der Kirchen und Gemeinden sollte sein, mit Information und Orientierung, mit  Aufklärung und Protest, mit Empathie und Zuhören, mit Gebet und Segen ein starkes Zeichen gegen das Klima des Hasses und Misstrauens zu setzen."

Eine Möglichkeit dazu biete sich in menschenfreundlicher, zugewandter Beratung: «nahe bei Menschen zu sein, die gerade jetzt ein offenes Ohr, Hilfe und Unterstützung brauchen.

Mit der Covid-19-Pandemie verbreiteten sich seit März 2020 in Deutschland immer mehr Falschmeldungen, Verschwörungsmythen, esoterische Heilsangebote und pseudowissenschaftliche Gesundheitstipps, so Pöhlmann weiter. Diese würden über die sozialen Netzwerke rasch verbreitet. Aber bereits vor der Corona-Pandemie habe es Untersuchungen zufolge eine große Offenheit dafür in der Gesellschaft gegeben.

Keine Theorie, sondern ein Glaube

Der in den Medien inflationär verwendete Begriff "Verschwörungstheorien" sei allerdings zu Recht problematisiert und kritisch hinterfragt worden, erklärte Pöhlmann. Der Begriff "Verschwörungsglaube" eigne sich dagegen, um den für die Anhänger solcher Überzeugungen ideologischen, quasi-religiösen, sinnstiftenden Kern aufzuzeigen.

Pöhlmann: "Verschwörungsglaube erlebt gerade in Übergangs- und gesellschaftlichen Krisenzeiten eine Konjunktur und weist erkennbar ersatzreligiöse Funktionen auf."


Matthias Pöhlmann / © Norbert Neetz (epd)
Matthias Pöhlmann / © Norbert Neetz ( epd )
Quelle:
epd