Nur auf den ersten Blick haben die Regenbogenflaggen-Träger und Reichsbürger, die Althippies und AfD-Anhänger, die radikalen Veganer und rechts angehauchten Homöopathen nicht viel miteinander zu tun, meint Henning Flad. Er leitet die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche & Rechtsextremismus und attestiert den scheinbar so unterschiedlichen Gruppen von Demonstranten gegen die Corona-Politik der Bundesregierung durchaus Gemeinsamkeiten.
Rechtsextreme und Impfgegner
Zum einen verbinde die Protestierenden ihre ablehnende Haltung gegenüber den modernen Naturwissenschaften, vor allem aber der Medizin, so Flad. Seit Jahren, erklärt er weiter, spielen Rechtsextreme im Bereich der so genannten Impfkritik eine führende Rolle; wie viele, die am Wochenende in Berlin demonstriert haben, lehnen sie Impfungen grundsätzlich ab. Außerdem bescheinigt Henning Flad den Demonstranten eine besondere Anfälligkeit für Verschwörungsideologien. Vor diesem Hintergrund, so die Beobachtung, versammeln sich jetzt Menschen über Milieugrenzen hinweg zu einer neuen Bewegung mit deutlichem Rechtsdrall. "Wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass rechtes Gedankengut immer in Springerstiefeln daherkommt", so der Extremismus-Experte.
Radikalisierungsprozesse wie bei Pegida
"Ich befürchte, dass ähnlich wie vor ein paar Jahren bei Pegida jetzt tatsächlich Menschen so etwas wie Erweckungserlebnisse haben." Damals habe es eine ganze Reihe von Radikalisierungsprozessen gegeben, an deren Ende Bürger zu rechts gerichteten Aktivisten wurden und auch dabei blieben. Nach dem rauschhaften Erleben der Proteste vor dem Berliner Reichstag am vergangenen Wochenende, könne jetzt durchaus Vergleichbares passieren, warnt Henning Flad.
Kein belastbaresbares Zahlenmaterial zu Beteiligung von Christen
Ob und wie stark Christen sich als Teil der Bewegung fühlen, die im Moment unter dem Namen "Querdenken" firmiert, vermag Flad nicht zu sagen. Belastbares Zahlenmaterial dazu gebe es nicht. Zwar treffe er auch in kirchlichen Kreisen immer wieder auf entschiedene Impfgegner: "Mein Eindruck ist aber: Wenn wir nach religiösen Bezügen gucken, dann sind vor allem Leute aus der Esoterik-Szene dabei, weniger aus den Kirchen."
Was die generelle Positionierung der Kirchen zum Rechtsextremismus angeht, sind Flad und seine Kollegen aus der Bundesarbeitgemeinschaft recht zufrieden. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche distanziere sich seit langem sehr klar und glaubwürdig von der extremen Rechten.
Diskussionen zu Rechtsextremismus in den Gemeinden
In den Gemeinden könne aber noch stärker und kritischer über Rechtsextremismus und Rassismus diskutiert werden. "Wir müssen klarmachen, wie gefährlich und giftig diejenigen sind, die da am Wochenende in Berlin federführend agiert haben." Diese Leute, beklagt Flad, stellten ganz offen Demokratie und Grundwerte in Frage, werteten andere ganz bewusst ab.
Um einer solch rechtsradikalen Aufbruchstimmung entgegen zu wirken, hat sich die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus übrigens gerade mit anderen zivilgesellschaftlichen Trägern zum Kompetenznetzwerk Rechtsextremismusprävention zusammengetan – gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung, Cultures Interactive e. V., "Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland e. V." und der Jugendbildungsstätte Lidice Haus. Der Zusammenschluss wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" gefördert.
Henning Flad bringt für die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus die kirchliche Perspektive mit ins Netzwerk ein - und damit natürlich den einen unumstößlichen Grundsatz: dass Rassismusund Rechtsextremismus unvereinbar sind mit christlichen Glauben.