US-Abtreibungsgegner marschieren virtuell "für das Leben"

Gegen Joe Bidens liberalen Kurs

​Dieses Jahr war alles anders: Auf den Straßen versammelten sich nicht Hunderttausende. Stattdessen verlegten US-Abtreiungsgegner ihren "Marsch für das Leben" ins Internet. Auch politisch haben sich die Umstände geändert.

Autor/in:
Bernd Tenhage
"March for Life" / © Tyler Orsburn (KNA)
"March for Life" / © Tyler Orsburn ( KNA )

Tim Tebow wäre heute nicht auf der Welt, hätte sich seine Mutter vor 33 Jahren anders entschieden. In seiner Rede beim traditionellen "Marsch für das Leben" in Washington erzählte der pensionierte Football-Star seine persönliche Geschichte. Wie seine Mutter den Rat zu einer Abtreibung ausschlug, weil ihr Leben auf dem Spiel stand. 

Eine Chance zu leben 

Sie entschied sich anders als viele andere Frauen in einer solchen Situation dagegen und gab Tim eine Chance, zu leben. Tebow forderte die virtuellen "Marschierer" auf, "für und mit den Ungeborenen zu leiden". 

Und: "Wir müssen uns stärker bemühen, immer für das Leben zu sein." In seinen Worten klang das Motto des Marsches durch: "Gemeinsam stark, Leben verbindet".

Erster digitaler Marsch

Anders als in den Vorjahren konnten die Teilnehmer nicht entlang der National Mall marschieren. Die Organisatoren hatten wegen der Pandemie und aus Sicherheitsgründen nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar den "Marsch" ins Netz verlegt. 

Dort boten die Veranstalter ein 90-minütiges Programm im Live-Stream an, das Menschen rund um den Erdball verfolgten. Der Marsch der Abtreibungsgegner markiert seit 1973 jedes Jahr den Tag, an dem das Oberste Gericht der USA Abtreibungen zur Privatsache erklärte. 

Die Kundgebung, die die Organisatoren als größte Demonstration für das Leben bezeichnen, findet deshalb immer in zeitlicher Nähe des Urteilstages am 22. Januar statt.

"Trügerische Entschuldigungen"

Am Morgen hatte Washingtons Kardinal Wilton Gregory in der St. Matthew's-Kathedrale eine Predigt gehalten, in der er die Gründe für Abtreibungen als "trügerische Entschuldigungen" verurteilte. Viele sähen in Abtreibungen ein Menschenrecht, kritisierte der Kardinal die Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen. 

Erzbischof Wilton Gregory / © Michael Alexander (KNA)
Erzbischof Wilton Gregory / © Michael Alexander ( KNA )

"Alles, um zu vermeiden, den von Gott gesetzten Standard für den Respekt und die Liebe für jedes menschliche Leben zu akzeptieren - auch für jenes, das darauf wartet, geboren zu werden."

Biden liberalisiert Abtreibungen 

Für zusätzliche Brisanz des spaltenden Themas hatte am Vortag die Entscheidung von US-Präsident Joe Biden gesorgt, die sogenannte Mexiko-City-Politik seines Vorgängers Donald Trump aufzukündigen. Das Dekret schloss bislang alle Nichtregierungsorganisationen von öffentlicher Finanzierung aus, die Abtreibungen im Ausland anbieten oder fördern. 

Präsident Ronald Reagan hatte die Verordnung erstmals 1984 erlassen. Seitdem wurde sie von jedem republikanischen Präsidenten weitergeführt und von jedem demokratischen Präsidenten widerrufen.

Die katholische Kirche und weitere Abtreibungsgegner in den USA kritisierten diesen Schritt. "Es ist bedauerlich, dass eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Biden aktiv die Zerstörung von Menschenleben in Entwicklungsländern fördert", hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung der US-Bischofskonferenz. Die Entscheidung des Präsidenten sei unvereinbar mit der katholischen Lehre, unethisch und verletze die Menschenwürde.

Unterstützung von Papst und Bischöfen

Papst Franziskus hatte bereits vorab allen Teilnehmern des diesjährigen "March for Life" einen vollkommenen Ablass gewährt. Zur Eröffnung sprach der Vorsitzende des Pro-Life-Komitees der US-Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Naumann, ein Gebet "für schwangere Frauen und für diejenigen, die durch Abtreibung verwundet wurden". Das Schlussgebet kam von der Enkelin des gestorbenen Baptisten-Predigers Billy Graham, Cissie Graham Lynch.

Bidens Entscheidung stellt Abtreibungsgegner vor eine politisch neue Situation. Für viele von ihnen war die Regierungszeit Donald Trumps ein Wendepunkt. Er bescherte ihnen nicht nur drei Richter am Obersten Gericht, die mit der Aufhebung des Urteils von 1973 sympathisieren, sondern auch viele konservative Richter in unteren Instanzen. 

Abtreibungsquote in den USA ist niedrig

Trump verlieh den Zielen der Abtreibungsgegner Priorität, während er für die Todesstrafe mobilisierte. 2020 sprach er als erster amtierender US-Präsident persönlich beim "March for Life" .

Gallup-Umfragen seit den 1970er Jahren haben gezeigt, dass etwa 50 Prozent der Amerikaner sagen, ein Schwangerschaftsabbruch sollte "unter bestimmten Umständen legal" sein. 

Etwa ein Fünftel möchte ihn unter allen Umständen für illegal erklären. Laut einer Studie des Guttmacher-Instituts von 2019 liegt die Abtreibungsquote in den USA derzeit auf einem Allzeittief.

Marsch für das Leben

Der "Marsch für das Leben" findet seit Jahren in ca. 20 Hauptstädten der ganzen Welt statt. Er wird vom Papst, diversen Bischöfen und Bundestagsabgeordneten unterstützt. 

Marsch für das Leben 2023 in Köln / © Johannes Schröer (DR)
Marsch für das Leben 2023 in Köln / © Johannes Schröer ( DR )
Quelle:
KNA