Geht die Bundeswehr mit ihrer Werbung zur "Gamescom" zu weit?

"Das nimmt den Soldatenberuf nicht ernst"

Auf der "Gamescom" wirbt die Bundeswehr für ihre Arbeit. Mit teils provokanten Sprüchen. Damit tut sie sich keinen Gefallen, findet die Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden.

Plakat der Bundeswehr: "Mehr Open World geht nicht" / © Henning Kaiser (dpa)
Plakat der Bundeswehr: "Mehr Open World geht nicht" / © Henning Kaiser ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Kölner Stadtgebiet zeigen Plakate der Bundeswehr bewaffnete Kämpfer in Computerspieloptik. Darunter stehen Sprüche wie "Multiplayer at its best" oder "Mehr Open World geht nicht". Stellt die Bundeswehr damit Krieg auf eine Ebene mit Computerspielen?

Wolfgang Buff (Stellvertretender Vorsitzender der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden): Das würde ich nicht klar bejahen. Die Bundeswehr würde sicherlich sagen, dass dies nicht ihre Absicht ist und Jugendliche nicht darauf hereinfallen. Aber sie kokettiert damit und lenkt von ihren tiefergehenden Inhalten eindeutig ab. Sie macht sich etwas zu cool, zu jugendtauglich und damit auch ein wenig substanzlos.

DOMRADIO.DE: Die Bundeswehr hat inzwischen auf die Kritik reagiert. Sie sagt, die Kernfrage der Werbeaktion laute "Krieg spielen oder für den Frieden kämpfen". Macht es das in Ihren Augen besser?

Buff: Nein, überhaupt nicht, weil die Bundeswehr natürlich immer schon mit einem bestimmten Paradigma beginnt. Wer sagt, dass Frieden mit den Inhalten, die auf den Plakaten abgebildet sind, erreichbar ist? Würde man mit höheren Militärs ein vernünftiges Gespräch führen, würden die alle sagen: Mit Waffen schafft man keinen Frieden. Als Werbebotschaft wird man natürlich nicht so differenziert argumentieren, sondern zieht solche merkwürdigen Schlüsse. Aber was heißt das eigentlich, wenn Sie sagen "Mehr Open World geht nicht"? "Open World" bedeutet, dass man sich die Welt im virtuellen Raum so schaffen kann, wie man sie möchte. Ist das das Verständnis, wie die Bundeswehr international agieren möchte? Ich glaube, um es höflich zu formulieren, das ist zumindest unterkomplex.

DOMRADIO.DE: Welche Inhalte setzt denn die Bundeswehr?

Buff: Die Werbung der Bundeswehr vermittelt, dass es schnelle, einfache Lösungen gibt. Mich überrascht diese Plakatserie überhaupt nicht. Sie steht in einer wahnsinnigen Tradition und gehört zu einer Kampagne, die die Bundeswehr nach meiner Beobachtung mindestens schon zehn, zwölf Jahre lang macht. Sie hat eine sehr aggressive PR-Agentur beauftragt, jugendaffine Sachen umzusetzen. Sie hat sich mit dem Jugendmagazin "Bravo" verbündet, hat einen eigenen YouTube-Kanal und ist begeistert über die vielen Abonnenten, die sie dort hat. Das sind im Moment mehr als auf der Gamescom Besucher erwartet werden. Sie fischt genau in den Bereichen junger Leute und spricht deutlich mit deren Sprache. Aber es gibt nie eine Möglichkeit, über die Botschaften zu reflektieren.

Ich gebe ein Beispiel: Auf einer Plakatserie der Bundeswehr steht "Weltfrieden defekt, Techniker gesucht". Was ist das für eine Botschaft? Erstens ist die Aussage, der Weltfrieden sei defekt schon eine Unverschämtheit. Zweitens wird suggeriert, man kann dies ändern, indem man an ein paar Schrauben dreht. Ich glaube, da werden die Nutzer für dumm verkauft. Es werden Leute angesprochen, die vielleicht momentan mit einfältigen und schnellen Lösungen in ihrer Lebenssituation glücklich werden. Aber das kann nicht unser Verständnis von der Parlamentsarmee sein.

DOMRADIO.DE: Es gibt provozierende "Eye-Catcher", die in der Werbebranche gerne benutzt werden, um wahrgenommen zu werden. Sind diese Stilmittel denn für die Bundeswehr nicht legitim?

Buff: Ich rege mich gar nicht darüber auf, dass die Bundeswehr versucht, Aufmerksamkeit zu generieren. Das ist unvermeidbar, wenn sie um Berufssoldaten kämpft. Aber die Frage ist für mich immer: Gibt es etwas über den "Eye-Catcher" hinaus? Gibt es noch Substanz? Und wenn eine Kampagne in der "Bravo" Bundeswehrzeiten als eine Beach-Party darstellt, dann denke ich: Das geht wirklich am Ziel vorbei, es nimmt den Soldatenberuf nicht ernst. Es sollte dem Arbeitgeber Bundeswehr jedoch auf alle Fälle ernst sein. Wie gesagt, mir geht es nicht darum, dass man wirbt. Das ist legitim. Dass Werbung immer übertreibt und mit Provokation arbeitet, das wissen die Gamescom-Besucher viel besser als ich. Die werden nicht so darauf hereinfallen.

Aber manche Leute lassen sich bestimmt davon ansprechen – darauf zielt ja auch die Bundeswehr. Sie spielt damit, dass man "Verantwortung nicht schwänzen" kann – das ist einer ihrer Slogans. Ein anderer: "Geh' an deine Grenzen! Wachse über dich hinaus!" Kürzlich bin ich über eine lila-blau-farbige Postarte gestolpert auf der steht: "Sind Sie eigentlich ein Beißer oder ein Lutscher?" Ein Symbol darauf erinnert an eine Eistüte, ist aber ein Fallschirm. Damit wirbt die Bundeswehr dafür, Fallschirmjäger zu werden – auf ihrem YouTube-Kanal, in Gaststätten, Jugendherbergen, in diesen Postkarten-Ständern. Ich finde, das geht entschieden zu weit. Dafür ist mir das Soldaten-Dasein einfach zu ernst.

DOMRADIO.DE: Wenn die Werbung anders aussehen würde, wäre denn die Bundeswehr mit einer Werbung bei der "Gamescom" am richtigen Platz?

Buff: Die Frage kann man heutzutage gar nicht mehr stellen. Wo ist die Bundeswehr denn nicht? Sie ist auf der Ausbildungsmesse, sie ist auf Volksfesten wie etwa hier auf dem Hessentag, mit viel Bohei (Aufhebens, Anm. d. Red.) und großen Geräten für die Bespaßung der Bevölkerung. Sie ist auf der "didacta" (Fachmesse für Bildungswirtschaft, Anm. d. Red) und möchte dort gezielt Lehrer animieren, sich mit ihrem Material anzufreunden und es zu benutzen. Es lässt sich nicht mehr zurückdrehen, dass die Bundeswehr flächendeckend arbeitet. Mir geht es um die Stilfrage und im Grunde auch um die Frage: Werden Soldaten durch diese Kampagnen nicht ein bisschen düpiert?

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Bundeswehr auf der Gamescom / © Henning Kaiser (dpa)
Bundeswehr auf der Gamescom / © Henning Kaiser ( dpa )
Quelle:
DR
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