Wort des Bischofs

Geistliche Berufungen

Warum heute noch Priester werden? Diese Frage stellt sich am heutigen Weltgebetstag für geistliche Berufungen auch Kardinal Woelki. Und er kennt eine Antwort.

 (DR)

Wer will heute noch Priester werden? Diese Frage stellt sich am heutigen Weltgebetstag für geistliche Berufungen und besonders bei uns in Deutschland, wo sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer weniger junge Menschen für diesen Lebensweg entschieden haben. So wie ich damals als 28-Jähriger mit meiner Priesterweihe hier in Köln. Für mich war der Weg klar. Aber – er will heute (!) noch Priester werden? Und – schenkt uns Gott immer noch genügend Berufungen? Das sind Fragen, die mich seit langem beschäftigen.

Von 1997 an war ich für sechs Jahre Direktor in unserem Theologenkonvikt Collegium Albertinum in Bonn. Viele Priesteramtskandidaten habe ich während ihres Studiums auf dem Weg ihrer Berufung zur Priesterweihe begleiten dürfen. Jeder einzelne hat seine ganz eigene Geschichte mit Gott und seinen ganz eigenen Punkt, an dem er sich fragte: „Priester sein – wäre das auch was für mich?“ Da gibt es wirklich dramatische Geschichten, aber manchmal wächst so ein Ruf dann eben auch ganz leise und langsam. Manchmal kann ein Seminarist und Priester genau sagen, wann der Zeitpunkt war, an dem alles angefangen hat.

So wie Martin zum Beispiel. Der war lange Messdiener. Dann Messdienerleiter. Er konnte nicht genau sagen, was ihn daran fasziniert. Aber irgendwann ist er dann auch mal während der Woche zur Messe gegangen und hat gemerkt, wie gut ihm das tut. Bald gehört er dazu. Nach ein paar Monaten sprechen ihn beim Plaudern nach der Messe zwei alte Frauen an und danken ihm für den Dienst als Ministrant. Irgendwie kommt dann das Thema auf Priester und auf Berufungen, und eine der Damen sagt zu ihm: „Du hast ein großes Herz für alle Menschen. Du wärst sicher ein guter Priester.“ Dieser Satz lässt Martin nicht mehr los. Noch einmal, ein paar Monate später, und er spricht die Frau noch einmal darauf an. Die bestärkt ihn und erzählt ihm, dass sie täglich um Berufungen betet und dabei auch oft an ihn denkt. Diese Begegnung hat Martin geprägt. Sie war für ihn der Punkt, an dem alles anfing.

Es sind manchmal solche Begegnungen, die das Leben prägen. Es ist auch das Gebet, das wirkt. Vielleicht haben Sie ja auch Gelegenheiten, in denen Sie ein Gebet um geistliche Berufungen zum Himmel schicken können. Oder noch besser – schließen sich doch einfach einer der vielen Gebetsgemeinschaften um geistliche Berufungen an. Ich wär Ihnen dafür dankbar, und es würde mich freuen, gemeinsam mit Ihnen um Berufungen zu beten.

Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln