Knapp zwei Monate noch muss Bischof Rolando Alvarez aus der Diözese Matagalpa auf seinen Prozess warten. Stimmen die Berichte der regierungskritischen Medien aus Nicaragua, dann ist das Verfahren in der Hauptstadt Managua für den 28. März angesetzt. Das sandinistische Regime von Präsident Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo habe dafür gesorgt, dass bislang ausschließlich Zeugen zu Wort gekommen seien, die gegen den Bischof ausgesagt hätten, schreiben unabhängige Medien. Auch die freie Wahl einer Verteidigung sei Alvarez nicht gewährt worden.
Seit Samstag (Ortszeit) kennt indes der katholische Priester Oscar Danilo Benavides Davila sein Strafmaß. Laut dem Portal "Despacho505", das sich auf Prozessunterlagen beruft, muss der Geistliche für zehn Jahre ins Gefängnis. Ihm hatte die Staatsanwaltschaft "Verschwörung zur Untergrabung der nationalen Integrität" und "Verbreitung falscher Nachrichten durch Informations- und Kommunikationstechnologien" vorgeworfen.
Kleriker im Fokus
Die gleichen Vorwürfe gibt es auch gegen Bischof Alvarez sowie ein weiteres halbes Dutzend Priester. Pfarrer Benavides Davila aus der Gemeinde Mulukuku wurde zudem zu einer Geldstrafe von 49.917 Cordobas (umgerechnet etwa 1.300 Euro) verurteilt.
Hinter der juristischen Verfolgung der Kirchenvertreter stecke eine klare Strategie, sagt Berta Valle, TV-Journalistin, Menschenrechtsaktivistin und Ehefrau des inhaftierten Präsidentschaftskandidaten Felix Maradiaga im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) aus ihrem Exil in Miami. "Der Hauptgrund ist, dass die katholische Kirche eine Institution war, die Menschenrechtsverletzungen offen anprangerte und sich für das nicaraguanische Volk einsetzte", so Valle.
Unbequeme Stimmen
Insbesondere die Priester, aber auch Bischof Rolando Alvarez, seien einige dieser Stimmen gewesen, die lautstark Gerechtigkeit und Freiheit in Nicaragua gefordert hätten. "Das Regime versucht nun, diese Stimmen und diese Institution, die Menschenrechtsverletzungen anprangern, zum Schweigen zu bringen und auch die letzten verbliebenen Räume in Nicaragua zu schließen, in denen Kritik an der Situation und Forderungen nach Gerechtigkeit geäußert werden konnten." Von dem Vorgehen seien auch Gemeindeversammlungen betroffen. "Das heißt, es gibt in Nicaragua nicht einmal mehr Räume, in denen sehr viele Menschen gemeinsam die Messe feiern können, wie das früher möglich war."
Aktuell gebe es in Nicaragua keine Möglichkeit, irgendeine Art von Protest zu organisieren. "Es gibt keinen Platz für Demonstrationen. Proteste werden kriminalisiert. Die jungen Menschen mussten praktisch aus dem Land fliehen. Das Ausmaß der Migration junger Menschen ist äußerst alarmierend", sagt Valle. Junge Leute, die sich noch im Land für Freiheitsrechte engagieren wollten, müssten dies völlig im Verborgenen tun.
Oppositionelle in Haft
Berta Valles Ehemann, der ehemalige Präsidentschaftskandidat Felix Maradiaga, gehört zu einer Gruppe von Oppositionspolitikern, die Ortega vor den Wahlen 2021 festnehmen ließ. Damit ging er ohne aussichtsreiche Gegenkandidaten in den Urnengang. "Das Regime hatte beschlossen, die Präsidentschaftskandidaten, die bei den nationalen Wahlen im November 2021 gegen Ortega antreten sollten, zu inhaftieren", sagt Valle. Es reiche allerdings nicht, den Blick nur auf die inhaftierten Oppositionspolitiker zu richten. "Es wurden auch Studentenführer, Bauernführer, Journalisten, Geschäftsleute, Menschenrechtsverteidiger verhaftet und eingesperrt."
Die aktuelle Verurteilung des Priesters und die Klagen der Menschenrechtlerin reihen sich ein in eine schwere innenpolitische Krise, die Nicaragua seit Jahren erlebt. Bei landesweiten Protesten gegen die linksgerichtete Ortega-Regierung kamen zu Beginn rund 350 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Nicaraguas Kirche, Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien kritisierten immer wieder in scharfer Form die Menschenrechtsverletzungen der Regierung - offenbar mit gefährlichen Folgen für die eigene Sicherheit.