Gemeinnützige Organisationen werben um Erbschaften

Einblicke in einen diskreten Bereich des Fundraisings

Wer nach dem eigenen Tod sein Vermögen oder einen Teil davon für einen guten Zweck spenden will, hat die Qual der Wahl. Für immer mehr Organisation werden Erbschaften zu wichtigen Finanzierungsquellen. Ein heikles Feld.

Autor/in:
Volker Hasenauer und Joachim Heinz
Symbolbild Eine Frau schreibt handschriftlich ihr Testament / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Eine Frau schreibt handschriftlich ihr Testament / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Dieser Text kann mit einer bundesweit geschalteten Zeitungsanzeige beginnen: "Was bleibt?", fragt die Heinz-Sielmann-Stiftung bedeutungsschwer die Leserinnen und Leser. Und wirbt umgehend dafür, ein Testament zugunsten der Stiftung aufzusetzen, die sich im Natur- und Umweltschutz engagiert.

Am Anfang dieses Textes könnte aber auch eine Zahl aus dem Geschäftsbericht von missio München stehen. Bei der christlichen Hilfsorganisation machten Erbschaften und Nachlässe im vergangenen Jahr mehr als ein Drittel des gesamten Spendenaufkommens aus.

Oder man begibt sich zum Freiburger Münster, um die Geschichte von Gertrud Elisabeth Burkart zu erfahren. Die schwerkranke Dame war dem gotischen Gotteshaus so tief verbunden, dass sie ihr letzter Ausflug vor dem Tod noch einmal per Rollstuhl in die Kathedrale führte. Hier war sie Chorsängerin gewesen, hier fühlte sie sich zu Hause. Deshalb hinterließ sie dem Münsterbauverein, der sich um Erhalt und Sanierung des jahrhundertealten Wahrzeichens der Stadt kümmert, eine Erbschaft in Höhe von 420.000 Euro - eine der höchsten Einzelsummen, die der Münsterbauverein bislang erhielt.

Stark wachsendes Geschäftsfeld

Das Thema Erben und Vererben wird für gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen immer wichtiger, weiß Michael Urselmann. Der Kölner Sozialwissenschaftler ist einer der bundesweit führenden Experten für Fundraising. So lautet der Fachbegriff für professionelles Spendensammeln. Mit Blick auf alle Aspekte rund um Testament und Letzten Willen spricht er von einem Bereich, der stark wächst, "und das bereits über einen längeren Zeitraum".

Die Vorsitzende des Freiburger Münsterbauvereins Martina Feierling-Rombach kann das aus der Praxis bestätigen: "In den vergangenen Jahrzehnten des Friedens konnten viele Menschen bei uns einiges an Vermögen aufbauen. Am Lebensende fragen sich dann nicht wenige, was sie damit noch Gutes erreichen können. Und da wollen auch wir uns ins Gespräch bringen - mit unserer Verpflichtung, das Münster für kommende Generationen zu bewahren." Bis zu 3,5 Millionen Euro muss der Verein für Sanierungen jährlich aufbringen. Weniger als die Hälfte sind Zuschüsse von Stadt, Land und Kirche; der Hauptteil sind Spenden, Mitgliedsbeiträge, Stiftungen. Und Vermächtnisse.

Zu viel Gestaltungsmacht für Erblasser?

Manche sehen genau diese Entwicklung kritisch. Erben und Vererben heißt nicht selten: Wer hat, dem wird gegeben - und wer gibt, bestimmt, was mit seinem Geld geschieht. Wäre es also nicht sinnvoller, über die Erbschaftssteuer und andere Instrumente eine Umverteilung von Vermögen einzuleiten, von der größere Teile der Gesellschaft profitieren?

Wissenschaftler Urselmann widerspricht. "Das eine ist natürlich, dass jeder von uns zur Solidargemeinschaft beitragen sollte, indem er seine Steuern ordentlich bezahlt und sie nicht hinterzieht." Aber: "Ob mein Nachbar jetzt das Geld auf den Kopf haut oder der Caritas gibt, ist seine Freiheit. Das habe ich nicht moralisch zu bewerten." Im Gegenteil sei es zu begrüßen, wenn sich jemand über seine Steuerzahlungen hinaus gemeinnützig engagiert, "nicht nur als christliches Werk der Nächstenliebe, sondern vielleicht auch in der Kultur oder im Sport".

Von Amnesty bis Johanniter

Wer nach dem eigenen Ableben sein Vermögen oder Teile davon für einen gemeinnützigen Zweck geben will, hat die Qual der Wahl. Beispielsweise haben sich 25 Organisationen zur Initiative "Mein Erbe tut Gutes. Das Prinzip Apfelbaum" zusammengeschlossen: von den Johannitern über Amnesty International bis hin zur Max-Planck-Gesellschaft. Ein Ziel sei, "Aufklärungsservice zu bieten für potenzielle Erblasserinnen und Erblasser", sagt Sprecherin Susanne Anger. Erste Informationen bietet die Internetseite der Initiative. Mit einem eigenen Siegel verpflichten sich Mitgliedsorganisationen, verantwortungsvoll mit dem Thema umzugehen.

Denn Vermögen, Erben und Vererben sind sehr persönliche Dinge. Mit Erbschleicherei will keine seriöse Organisation in Verbindung gebracht werden. "Wir wollen niemand überreden, machen keine aktive Werbung für uns, sondern beraten, wenn jemand auf uns zukommt oder nach einem guten Zweck für seinen Nachlass sucht", umschreibt der Ex-Banker Ralf Schopferer die Herangehensweise. Er ist seit einigen Monaten für den Münsterbauverein aktiv. Demnächst will der Verein gezielt Rechtsanwälte im Raum Freiburg ansprechen, die potenzielle Erblasser in Detailfragen beraten. Denn ab einem gewissen Zeitpunkt können und dürfen nur Spezialisten weiterhelfen.

Wichtig sei es, sich Zeit zu nehmen, sagt Katrin Heidbüchel, die für das Hilfswerk Misereor Fundraising macht. "Man kommt den Betreffenden zum Teil sehr nahe. Die Menschen, die uns testamentarisch bedenken wollen, schenken uns ihr Vertrauen und bauen darauf, dass wir gut mit ihrem Geld umgehen. Das verpflichtet." Was sie an ihrer Arbeit reizt? Es gehe nicht um Vergänglichkeit, sondern darum, die Zukunft zu gestalten. "Menschen, die unsere Arbeit von Todes wegen unterstützen möchten, haben eigentlich immer sehr klare Vorstellungen davon, was sie sich für alle Menschen auf dieser Erde wünschen."

Laut einer GfK-Studie der "Mein Erbe tut Gutes"-Initiative aus dem Jahr 2019 ist die Bereitschaft zum gemeinnützigen Vererben bei einer Gruppe besonders hoch: Menschen ohne Kinder. Hier konnten sich 51 Prozent einen solchen Schritt vorstellen; bei der Gesamtheit aller Befragten waren es nur 28 Prozent.

Stiftung als Alternative

Deshalb endet dieser Text bei Beate und Michael Schaal am Niederrhein. Der Arzt und die Hebamme sind ohne Nachwuchs geblieben. Ungewollt, wie Michael Schaal hinzufügt. Vor einigen Jahren, erinnert sich der 64-Jährige, stand die Frage im Raum, was einmal aus dem erwirtschafteten Vermögen werden soll. Auch Neffen und Nichten hat das Paar keine. "Die Patenkinder, und von denen gibt's einige, stehen alle finanziell auf sicheren Beinen." Als der 50. Geburtstag nahte, wurde es konkreter. "Wir sind in einem Alter, wo man eigentlich alles hat, wo man auf Geschenke gut verzichten kann", sagten sich die Schaals.

Ihr Blick richtete sich auf die Malteser. Dort engagiert sich Michael Schaal seit bald 50 Jahren ehrenamtlich. Im Jahr 2003 hatte die Deutsche Assoziation des Malteserordens zusammen mit dem Malteser Hilfsdienst eine Stiftung mit einem Grundstock von 100.000 Euro auf den Weg gebracht. Die Stiftung ist durch Zustiftungen, Treuhand- und andere Stiftungen, Stifterfonds und Stifterdarlehen inzwischen über 50 Millionen Euro schwer. Im vergangenen Jahr flossen aus den Stiftungserträgen 1,2 Millionen Euro in soziale Projekte im In- und Ausland. Mit seiner Frau rief auch der Mediziner eine Treuhandstiftung unterhalb der Dachstiftung der Malteser ins Leben.

Wohin die Erträge aus ihrer eigenen Stiftung fließen, können Beate und Michael Schaal selbst entscheiden. Weil der Arzt 35 Jahre auf einer Intensivstation arbeitete und inzwischen in der ambulanten Versorgung von schwerkranken Menschen tätig ist, legt das Ehepaar einen Schwerpunkt auf die ambulante palliativmedizinische Betreuung und Hospizarbeit am Lebensende. Nach dem Tod der Eheleute wird auch deren restliches Vermögen in die Stiftung fließen.

Quelle:
KNA