Bei den Protesten mit Kundgebungen und Sitzblockaden seit Ende 2018, die im April zur Absetzung von Omar al-Baschir, der sich 1989 an die Macht putschte und das Land autoritär islamisch-fundamentalistisch regierte, führten, spiel(t)en Frauen eine wichtige Rolle. Nicht zuletzt sie waren es, die dem seither regierenden Militärischen Übergangsrat ein Zugeständnis nach dem anderen abtrotzten (ID v. 15.5.2019).
Auch bei den zähen Verhandlungen, die seit Juni mit den Offizieren für eine gestaffelte, friedliche Machtübergabe geführt wurden, waren Frauen maßgeblich beteiligt. Zu nennen sind etwa Ebitsam Senhuri, die sich erfolgreich für die Kontrolle der paramilitärischen Milizen einsetzte, oder Frauenführerin Maryam al-Mahdi, Vizevorsitzende der Nationalen Umma Partei (NUP) und Tochter von Parteichef Sadik al-Mahdi, der zwischen 1966 und 1989 zweimal demokratisch gewählter Regierungschef in Khartum war.
Der reichste Mann im Sudan
Der zäh errungene Aufbruch Richtung Demokratie verlief nicht ohne Blutvergießen. Hardliner im Militärrat stemmten sich gegen jede Liberalisierung. An ihrer Spitze steht Generalleutnant Muhammad Hamdan Daglo, auch "Hemeti" (der Feurige) genannt. Er kommandiert die einst zur Niederwerfung der Unruhen in der Westprovinz Darfur geschaffenen "Blitz-Eingreif-Truppen" (RSF). Der Konflikt in Darfur hat "Hemeti" zum wohl reichsten Mann im Sudan gemacht, da er sich die dortigen Goldminen aneignen konnte.
Als Vize-Chef des Militärrates spielte Daglo bisher eine widersprüchliche Rolle; mal ließ er seine Privatarmee die Demokratie-Demonstranten unterstützen, mal ließ er sie auf diese schießen – mit vielen Opfern in Khartum und zuletzt auch in der Provinzhauptstadt El-Obeid. Dass sich unter den Toten minderjährige Schüler befanden, dürfte aber nun zur Machtbeschränkung Daglos durch den gemäßigten Flügel der Offiziersjunta geführt und endlich die Einigung mit den Reformkräften ermöglicht haben.
Ein breites und repräsentatives Spektrum
Gemäß nunmehriger Übereinkunft soll bis zu den für 2022 geplanten Wahlen ein gemeinsamer "Souveränitätsrat" amtieren. Zunächst wird ein Militär den Vorsitz führen, nach 21 Monaten übernimmt ein Zivilist. Die Protestbewegung soll zudem ein Experten-Kabinett zusammenstellen. Ferner soll binnen drei Monaten ein Legislativrat geschaffen werden. Die feierliche Unterzeichnung des Abkommens ist für den 17. August vorgesehen. Am Tag darauf, so der weitere Zeitplan, sollen aus fünf Militärs und sechs Zivilisten der "Souveränitätsrat" gebildet und am 20. August ein Ministerpräsident ernannt werden, der bis Ende des Monats seine Regierung vorstellen soll.
Garantie für die Erfolgsaussichten dieses Kompromisses bildet seine Unterstützung durch ein breites und repräsentatives Spektrum von Parteien und Politikern, die sich in den "Kräften der Freiheit und des Wandels (FFC) zusammengeschlossen haben. An erster Stelle die gemäßigt islamische "Umma"-Partei (NUP). Ihr Generalsekretär Ibrahimal-Amin spielt in den FFC die führende Rolle. Ihr führender Kopf ist Babakir Faisal, ein auch in Europa und den USA geschätzter kritischer Geist in Sachen politischer Islam und Terrorismus. Den demokratischen Flügel (SPC) der Kongress-Partei, deren Mehrheit Ex-Diktator Baschir zu seiner Einheitspartei umfunktioniert hatte, vertritt Omar al-Dager.
Freiheit und Frieden
Für Dager wird es vorrangige Aufgabe in der Übergangszeit sein, das Land zu befrieden. Durch die Unabhängigkeit des Südsudan 2011 verlor der Norden zwar seine Erdölvorkommen und andere Rohstoffe, nicht jedoch seinen einheitlich islamisch-arabischen Charakter. Omar al-Baschir wollte die wenigen dort verbliebenen Christen zu völliger Bedeutungslosigkeit verdammen. So gibt es in der Republik mit ihren rund 40 Millionen Einwohnern nur die katholischen Bistümer Khartum und El Obeid mit zusammen knapp 2 Millionen Katholiken, in denen zwei Bischöfe und ein Weihbischof amtieren. Jetzt hoffen Katholiken und Anglikaner, Presbyterianer und Evangelikale auf die Demokratisierung.
Eine weitere wichtige Aufgabe wird es sein, den 450 verschiedenen Ethnien Gemeinschaftsbewusstsein zu vermitteln. Widersprüchliche Stammesbindungen sind bisher nicht ausgeglichen worden. Sudans Weg in geordnete und freiere Verhältnisse sowie vor allem mehr Transparenz seiner Führung wird auch über seine Grenzen hinaus wichtig. Unter der Militärdiktatur war das Land zum Hauptlieferanten von Soldaten und Waffen geworden, sei es an die Saudis im Jemenkrieg oder an General Khalifa Haftar in Libyen. Das soll jetzt aufhören und zur Beruhigung in der ganzen Region beitragen.