domradio.de: Unter den Flüchtlingen, die nach Köln gekommen sind, sind auch Christen. Was ist Ihre Erfahrung: Wenden die sich an die Gemeinden, um seelsorgerischen Beistand zu finden?
Markus Hofmann (Bischofsvikar und Leiter der Internationalen katholischen Seelsorge): Das kommt durchaus vor. Wie haben zum Beispiel im Erzbistum Köln die syrisch-katholische Gemeinde in Köln-Mülheim. Deren Gemeinde hat sich von 500 Mitgliedern auf mehr als 1.200 vergrößert. Man merkt, dass sich die Christen ganz gut orientieren können; die sind gut vernetzt. Es gibt digitale Kommunikationsmöglichkeiten, sodass die Christen in der Regel relativ rasch ihre Landsleute finden und so auch ihre Glaubensschwestern und -brüder.
domradio.de: Welche Anliegen, welche Bitten, welche Nöte bringen diese Menschen mit in die Gemeinden?
Hofmann: Zunächst fragen sie nach dem, was jeder braucht: Wohnraum, eine Möglichkeit, nicht isoliert zu sein, sondern zu wissen: „Hier bin ich willkommen“. Aber sie fragen auch nach der Möglichkeit, Deutsch zu lernen und darüber hinaus geht es um die Frage: „Wo kann ich meinen Glauben leben? Wo kann ich Gottesdienst feiern? Wo erfahre ich eine Gemeinschaft im Glauben? Zu wem kann ich gehen, wenn ich eine persönliche Notlage habe? Wer hört mir zu?" Diese Fragen bewegen die Menschen ganz ähnlich, wie uns.
domradio.de: Würden Sie sagen, gemeinsamer Glaube ist auch Integrationshilfe?
Hofmann: Auf jeden Fall! Denn der Mensch besteht ja nicht nur aus einem Magen und einem Körper, der versorgt werden will. Der Mensch hat auch eine Seele. Zu der gehört ganz wesentlich auch die religiöse Dimension.
domradio.de: Wie versuchen Sie denn genau, den christlichen Flüchtlingen zu helfen: Gibt es spezielle Angebote gemäß der Nationalität, der Sprache oder der Konfession?
Hofmann: Wir haben gemeinsam mit anderen christlichen Kirchen, also ökumenisch, einen Flyer entwickelt, den wir breit gestreut haben. Darauf stehen in acht verschiedenen Sprachen die Kontaktdaten von Angeboten christlicher Gemeinschaften. Die Erfahrung zeigt, dass der Flyer gut angenommen wird. Wir haben außerdem eine arabische Bibel für Erwachsene drucken lassen, die vorher in ausreichender Zahl nicht vorhanden war. Dann haben wir Gottesdiensthilfen ins Netz gestellt, auf denen auf Arabisch-Deutsch und auf Farsi-Deutsch der Gottesdienstablauf dargestellt ist. Die meisten kennen zwar den Ablauf der Messe, aber so ist es einfacher, sich zu orientieren und zu merken, was die Deutschen jeweils antworten. Das trägt auch zur Integration bei, denn so kann man den Gottesdienst, den man von zu Hause ja schon kennt, auch in einer neuen Sprache verfolgen und mitfeiern. In den Deutschkursen ist die religiöse Sprache immerhin nicht unbedingt das erste, was man lernt.
domradio.de: Im Domradio beenden wir am Samstag unsere Integrationswoche. Fällt Ihnen ein Beispiel gelungener Integration ein?
Hofmann: Vor einem Jahr war ich in Solingen in einigen Gemeinden tätig. Dort, in St. Josef-Krahenhöhe, gibt es ein Flüchtlingscafé, das ehrenamtlich betrieben wird. Jeden Sonntag werden zwei bis drei Stunden für Flüchtlinge Angebote gemacht. Die umfassen nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch Hausaufgabenhilfe oder Hilfe bei den Sprachkursen. Dort habe ich eine Familie aus dem Irak kennengelernt, die von einer anderen Familie sehr großartig aufgenommen worden ist. Sie wurden zum Beispiel mit in den Gottesdienst genommen, waren in der Osternacht, wurden besonders begrüßt und haben sich gefreut, wahrgenommen zu werden. Für mich war es in den acht Monaten, die ich dort war, bewegend mitzuerleben, wie tatsächlich Woche für Woche die Integration dieser Familie besser gelungen ist. Das ging so weit, dass sich diese deutsche Familie auf eigene Initiative eingesetzt hat, weitere Verwandte, die noch nicht in Deutschland waren, nachzuholen. Es ist natürlich eine große Freude, wenn ein solches Bemühen dann auch von Erfolg gekrönt ist.
Das Interview führte Verena Tröster.