KNA (Katholische Nachrichten-Agentur): Herr Generalvikar Bätzing, am 1. Mai endete nach fast zweieinhalb Jahren die Trierer Bistumssynode. Wie bewerten Sie mit dem Abstand von fast drei Wochen das Ergebnis?
Generalvikar Georg Bätzing: Ich bin immer noch sehr angerührt davon, mit welcher hohen Zustimmung dieses Dokument, an dem ja bis in die letzten Minuten gefeilt wurde, dem Bischof übergeben werden konnte. Das zeigt mir, wie stark der Wunsch der Synodalen war, etwas zustande zu bringen, mit dem wir zukunftsfähig werden. Wir sind jetzt dabei, die Ergebnisse zu analysieren und die Umsetzung in Gang zu bringen.
KNA: Sie haben die hohe Zustimmung angesprochen. Auf der anderen Seite gibt es kontroverse Leserbriefe und Diskussionen über das Abschlussdokument. Wie nehmen Sie diese Reaktionen wahr?
Bätzing: Derzeit melden sich viele Menschen in Leserbriefen oder Schreiben an die Bistumsspitze - mit sehr unterschiedlichen Positionen. Die einen sagen: Endlich, die Synode hat Tolles geleistet! Die anderen beschreiben ihre Befürchtungen und Ängste, etwas zu verlieren, das den Menschen Halt gegeben hat und ihnen in ihrem Glauben sehr wichtig ist. Ich bin dankbar, dass es nicht nur in eine Richtung geht. Lob und Anerkennung, Kritik und Sorgen - damit kann man arbeiten.
KNA: Mancherorts werden Sorgen über die Ergebnisse der Synode geäußert - vor allem, wenn es um die Richtzahl der künftig nur noch 60 Großgemeinden geht. Wie wollen Sie es schaffen, dass sich jetzt nicht alles bloß um die magische Zahl 60 dreht?
Bätzing: Das Schlimmste wäre, wenn die Synodenergebnisse auf Strukturfragen eingeengt würden. Die Zahl kommt als Hilfsmittel zur Umsetzung von Inhalten ins Spiel. Erst muss die Frage beantwortet werden, was vor Ort vorhanden sein muss, damit Menschen mit dem Glauben in Berührung kommen. Wir müssen unter Zuhilfenahme aller Medien erzählen, was die Synode war und was sie will. Das sind vor allem die Perspektivwechsel und die vielen, zukunftsweisenden und sehr konkreten Maßnahmen. Man muss möglichst viele Menschen animieren, überhaupt einmal zu lesen, was in dem Papier beschrieben steht.
KNA: Wenn Sie einem normalen Trierer Katholiken in wenigen Sätzen erklären sollten, was die Synode beschlossen hat, was würden Sie sagen?
Bätzing: Ich würde sagen: Sie teilen mit mir vermutlich die Meinung, dass Kirche nicht so bleiben kann, wie sie ist. Wir müssen uns fragen: Wie können wir unter den schwierigen Rahmenbedingungen die Kraft des Evangeliums, die Schönheit unseres Glaubens und den Wert der kirchlichen Gemeinschaft noch einmal deutlich machen. Die wichtigsten Ergebnisse sind Perspektivwechsel: Erstens: vom Einzelnen her denken. Das heißt nicht, den Einzelnen in seiner Vereinzelung belassen, sondern auf Menschen so zuzugehen, dass sie die Einladung trifft, sich auf Kirche einzulassen.
Zweitens: Charismen vor Aufgaben. Das heißt: Jeder hat seine Gabe, es kommt auf jeden Gläubigen an, du kannst dich bei uns engagieren.
Drittens: weite pastorale Räume einrichten. Wir merken, dass viele Pfarreien so aussehen, als würden sie alles Notwendige bieten. Sie können das aber schon lange nicht mehr leisten. Deswegen müssen wir in weiteren Räumen denken und trotzdem nah bei den Menschen sein. Und wir müssen das synodale Prinzip stark machen. Das heißt nicht: Jeder redet bei allem mit, sondern: Du bist gefragt, du kannst mitgestalten.
KNA: Welcher dieser Perspektivwechsel kann den größten Schwung mit sich bringen?
Bätzing: Für mich ist 'Charismen vor Aufgaben' entscheidend. Wir sind in der stark institutionalisierten deutschen Kirche im Hintertreffen. Wir müssen Menschen ermutigen, sich einzubringen, Ideen zu entwickeln, neue Aufgaben für die Gesellschaft zu entwickeln. Das verbindet sich mit dem Ansatz 'Missionarisch sein'. Wie wollen wir für die Botschaft Jesu werben, wenn die Leute nicht merken, dass wir dafür brennen und uns dafür einsetzen?
KNA: Im Synodenpapier ist viel von Abschieden die Rede. Welcher ist der schmerzlichste?
Bätzing: All diese Abschiede, die die Synode formuliert hat, greifen nicht erst in der Zukunft. Wir sind in der Situation, dass 90 Prozent der Kirchenmitglieder nur selten Kontakt zu uns pflegen. Sie richten ihr Leben nicht nach kirchlichen Normen aus, sondern nach ihrem Gewissen, ihrem persönlichen Glauben und dem, was sie für richtig halten. All diese Abschiede sind eigentlich nur Realismus, und den brauchen wir.
KNA: Wollen Sie den Pfarreien vor Ort die Freiheit geben, Abschiede für sich zu gestalten? Mancherorts sind volkskirchliche Elemente noch sehr stark, anderswo sind sie weniger wichtig.
Bätzing: Der Bischof wäre ja schlecht beraten, wenn er etwas, das lebendig ist, per Dekret abschafft. Die Synode hat wahrgenommen, dass wir vor Ort viel differenzierter Kirche sind, als wir nach außen zugeben. Was an einem Ort lebt und lange Tradition hat, ist anderswo überhaupt nicht bekannt. Da muss es Freiräume geben, sich für das zu entscheiden, was Zukunft hat.
KNA: Wie geht es nun mit der Umsetzung weiter?
Bätzing: Der Ball liegt beim Bischof. Wir wollen bis Ende des Jahres Aufgabenpakete schnüren und darüber mit den Räten im Bistum sprechen. Im nächsten Jahr beginnt die Umsetzung.