Generalvikar Dr. Dominik Schwaderlapp unterwegs in Indien

Eine gute "Landebahn" für den Heiligen Geist

Indien gehört zu den Ländern der Erde, in denen das Erzbistum Köln seit Jahrzehnten stark engagiert ist. Mit der Kirche in Indien,mit Bischöfen und Ordensgemeinschaften bestehen lange und intensive Partnerschaften. Jetzt unternahm Generalvikar Dr. Dominik Schwaderlapp eine Reise zu den Partnern des Erzbistums in Indien. Lesen Sie hier seinen Bericht.

Autor/in:
Dr. Dominik Schwaderlapp
War in Indien: Generalvikar Dominik Schwaderlapp (DR)
War in Indien: Generalvikar Dominik Schwaderlapp / ( DR )

Arunachal Pradesh - den Namen dieses Bundesstaates Indiens hatte ich vor unserer Reise noch nie gehört. Er befindet sich im Nordosten des Landes an der Grenze zu China. Der Bundesstaat ist ein Zankapfel zwischen China und Indien und genießt von daher einen Sonderstatus. Arunachal Pradesh ist für Ausländer, aber auch für Inder, die nicht aus der Provinz stammen, nur mit Sondergenehmigung zu bereisen. Streng verboten ist jede missionarische Tätigkeit. Genau dieser Bundesstaat ist nun Ziel unserer Reise.



An einem Samstag ist unsere Delegation mit Bischof John Thomas von Itanagar unterwegs nach Ziro, einem Ort auf 1700 Metern Höhe in den Ausläufern des Himalayas. Die Straßen sind sehr schlecht. Es gibt mehr Schlaglöcher als Teerbelag. Wir werden kräftig durchgeschüttelt. Der Bischof erzählt uns aus der jungen Geschichte der Kirche in Arunachal Pradesh.



Wachsende Kirche

Bis vor gut 30 Jahren gab es kaum Christen in der Gegend, denn christlichen Missionaren war der Zugang explizit verboten. Heute sind dort etwa 18 Prozent der Bevölkerung Christen. 2006 wurde die Diözese Itanagar gegründet, die jetzt bereits 80 000 katholische Christen umfasst, und jährlich kommen Tausende hinzu. Was ist das Geheimnis dieser jungen und wachsenden Kirche? Welche Methoden der Glaubensverkündigung werden hier angewandt? Diese und andere Fragen beschäftigen uns. Nach etwa fünf Stunden erreichen wir die Kleinstadt Yachuli. Voller Stolz präsentiert uns der Bischof die erst 2010 geweihte neue Pfarrkirche, deren Bau kräftig durch das Erzbistum Köln unterstützt wurde. Auch bei der Errichtung des daneben stehenden Pfarrhauses konnten wir helfen.



Bischof Thomas weiß um unsere Fragen über das Geheimnis des Wachstums der Kirche in Arunachal. Er will uns helfen, Antworten zu finden, und so stellt er uns drei Männer im Alter zwischen 40 und 50 Jahren vor. Sie gehören zu den Katholiken der "ersten Stunde".



Vor 30 Jahren lebten in Yachuli nur zwei Christen, heute umfasst allein die katholische Pfarrei 1700 Christen. Daneben gibt es noch Baptisten und Mitglieder so genannter Pfingstgemeinden. Er selbst sei in einer heidnischen Familie groß geworden, berichtet der Erste. Von seinen Eltern sei er in ein Internat der Salesianer jenseits der Grenze im Bundesstaat Assam geschickt worden. Die Patres erzählten den Schülern von Christus und der Kirche. Auch er war davon begeistert. Mit 18 ließ er sich taufen. Gut vorbereitet durch die Salesianer, kehrten die jungen Leute in den Ferien in ihre Dörfer zurück und erzählten zu Hause von ihrem Glauben. "Einmal gaben mir Patres einen langen Film über Jesus mit (von Franco Zeffirelli, Jesus von Nazareth). Der war natürlich nicht synchronisiert. Er dauerte sehr lange. Ich zeigte den Film in unserem Dorf und erzählte, da die Leute die Dialoge nicht verstehen konnten, parallel zum Film das Leben Jesu." Der junge Mann wurde zum maßgeblichen Organisator der Mission in seinem Ort. Er und seine Freunde gingen gezielt in die Dörfer, die etwas abgelegener waren, um auch dort den Glauben zu verkünden. Auch heute ist er im "Parish-Council", vergleichbar mit unserem Pfarrgemeinderat, tätig und organisiert und plant Mission und Gebetsgemeinschaften in den Familien.  



Vom Saulus zum Paulus

Der zweite Mann wird nur der "Tiger" genannt. Er war ein Saulus, der zum Paulus wurde. In der Anfangsphase, als es zu den ersten Konversionen und Taufen kam, war der "Tiger" eine jener Personen, die die Christen bekämpften. Er war immer dabei, wenn es darum ging, deren Häuser anzuzünden und deren Tiere zu töten. Die Wende begann, als er sich in eine Katholikin verliebte. Die Liebe wurde von ihr auch erwidert. Er fragte sie, ob sie bereit wäre, ihn zu heiraten. Sie antwortete, das sei nur möglich für sie, wenn er auch ihren Glauben teilen würde. Das wollte er aber unter keinen Umständen, und so wandte er sich zunächst von ihr ab. Aber die Liebe ließ nicht locker. Er sprach mit Freunden, fuhr in eine der von Salesianern betriebene Schule, sprach mit den Patres. Schließlich ließ er sich taufen, nicht zuletzt, um seine Geliebte heiraten zu können. Wirklich überzeugt vom Christentum sei er zu diesem Zeitpunkt nicht gewesen, räumt der "Tiger" rückblickend ein.



Ein Jahr nach der Hochzeit, in einer Phase, in der er nur widerwillig zum Gottesdienst ging und keineswegs überzeugt war, wurde er an einem Sonntagnachmittag zum Gebet am Bett einer Kranken gebeten. Es ist dort üblich, dass man bei schweren Krankheiten nicht einen Arzt ruft, den es ohnehin nicht gibt, sondern eben religiöse Menschen - ob Heiden, Hindus oder Christen - und um deren Gebet bittet. Er lehnt dies zunächst ab, das sei nicht seine Angelegenheit, ging aber dann doch auf Drängen seiner Frau hin.



Als er ankam, war dort eine Art Medizinmann. Er sagte dem "Tiger", wenn es ihm gelänge, durch Gebet diese im Rollstuhl sitzende gelähmte Frau zu heilen, würde auch er sich taufen lassen. Widerwillig habe er seine Gebete gesprochen und sei wieder nach Hause gegangen. Am Sonntag darauf kam er aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zur Messe kam, zwar mit Gehhilfe, aber auf eigenen Beinen, die gelähmte Frau vom vergangenen Sonntag, begleitet vom Medizinmann. Nach der Messe bedankten sich beide bei ihm für die Heilung. Der Medizinmann erklärte, dass er sich taufen lassen wolle. Der "Tiger" war darüber völlig verwirrt, suchte wieder die Patres auf und vollzog seine innerliche Umkehr, die die Taufe allein noch nicht bewirkt hatte. Auch er gehört heute zu den Säulen der Pfarrei, ist aktiv missionarisch tätig.



Wir verlassen das Pfarrhaus sehr nachdenklich. Gottes Wege sind ungewöhnlich. Da findet jemand tatsächlich zum Glauben aus einem ursprünglich nur trotzigen Auflehnen gegen den Vater. Da wird ein Saulus zum Paulus im Zusammenhang mit einer wunderbaren Heilung. Der Bischof erzählt uns, dass diese Lebensgeschichten exemplarisch sind für viele. Wie ein roter Faden durchziehen sich immer wieder Berichte über unerklärliche Heilungen, und auch Träume kommen immer wieder als Ort der Gottesbegegnung vor.



Eine Stunde später erreichen wir Ziro. Hier ist es für indische Verhältnisse kalt. Keine fünf Grad Celsius sind es und in den Häusern ist so gut wie keine Heizung vorhanden. Wir frieren erbärmlich. Als wir ankommen, werden wir von einer Gruppe von etwa 60 Erwachsenen begrüßt. Wie an jedem ersten Samstag im Monat haben sie auch heute von 8 bis 17 Uhr in der Kirche gebetet und gefastet. Pfarrer Saviour begrüßt uns sehr herzlich. Die Menschen dort haben schon einen mongolischen Einschlag. Stolz erzählt uns einer, sie gehörten mehrheitlich zum Stamm der Apatani und seien Nachfolger von Dschingis Khan. Am Abend werden wir zu einer Familie geführt, die sich mit zwei weiteren katholischen Familien aus einem kleinen Dorf regelmäßig abends zum Gebet trifft. Es ist eine aus Bambus gefertigte Hütte, die auf Stelzen steht. In der Mitte dieser Hütte ist auf Steinen ein großes Feuer, das Licht und wohlige Wärme verbreitet. Auch hier berichten uns die etwa 20 anwesenden Personen ihre Glaubensund Lebensgeschichten. Wir erfahren, dass hier jeder und jede am Sonntag zur Messe kommt. Zudem wird in den Familien täglich der Rosenkranz gebetet, auch von den Kindern. Und die Beichte? Das Bußsakrament empfange man jede Woche, wird uns gesagt. Tief beeindruckt kehren wir in das Pfarrhaus zurück. Mit Vertretern des dortigen "Parish-Councils" tauschen wir uns aus - dicht geschart um das wärmende Kaminfeuer. Wir sprechen über das Leben der Kirche in Deutschland und in Arunachal Padresh.



Bewegender Dank

Nach der festlichen Messe verlassen wir voller Eindrücke Ziro und treten die Rückreise an. Auf sehr persönliche, herzliche und bewegende Weise wird uns immer wieder für das Engagement des Erzbistums Köln gedankt, das der Kirche dort eine wesentliche Hilfe sei. Ich betone, dass dies nur möglich ist durch die Gläubigen und deren Beiträge, ich aber den Dank gerne an unsere Gläubigen weitergebe, was ich hiermit tue. Viele ermutigende Gedanken begleiten mich. Gottes Wort bahnt sich seinen Weg in dieser Welt, trotz aller menschlichen Grenzen und Begrenzungen und Verboten. Aber Gottes Wirken setzt auf unser Mittun. Das Zeugnis der Gläubigen ist nicht "gemacht" nach einer Methode oder einem katechetischen Konzept. Die Kraft der Gläubigen rührt aus ihrer Frömmigkeit. Die Verheißung Jesu wird hier Wirklichkeit: "Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt" (Mt 10,19). Ich bin davon überzeugt, auch in unserer Heimat wird sich weiterhin das Wort Gottes seinen Weg bahnen. Der Heilige Geist ist der eigentlich Handelnde. Aber er benötigt eben eine gute Landebahn. Das Zeugnis der Gläubigen in Arunachal Pradesh zeigt uns, wie wir diese bereiten können. DOMINIK SCHWADERLAPP