Gerichtspräsident will staatliche Missbrauchsaufarbeitung

Schluss mit "Brüdern im Nebel"

Der Kölner Landgerichtspräsident hat sich für eine staatliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ausgesprochen. Zudem zog er eine positive Bilanz des Verfahrens gegen den früheren katholischen Pfarrer U.

Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht (KNA)
Akten in einem Archiv / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Dass die Institution, aus der ein Täter kommt, anhand ihrer eigenen Akten ermittelt, sodann den Richter stellt und auch noch über die Entschädigung mitbestimmt - einen solchen 'In-sich-Prozess' gibt es in der staatlichen Ordnung nicht", sagte Roland Ketterle am Samstag im Interview des "Kölner Stadt-Anzeigers".

Landgericht und Amtsgericht in Köln / © Julia Steinbrecht (KNA)
Landgericht und Amtsgericht in Köln / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Ketterle, der seit 2014 Präsident des Kölner Landgerichts ist, zog eine positive Bilanz des Gerichtsverfahrens gegen den früheren katholischen Pfarrer U., der Anfang März vom Landgericht wegen 110-fachen sexuellen Missbrauchs zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt worden war.

Verbrechen wurden bagatellisiert

"Kapitalverbrechen wurden im Erzbistum Köln als Verfehlungen von 'Brüdern im Nebel' bagatellisiert. Dem ist die Kammer im Prozessverlauf aufs Deutlichste entgegengetreten", sagte Ketterle.

Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest gegen kirchlichen Umgang mit Missbrauch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Opfer hätten sich ernst genommen gefühlt, und sie hätten erlebt: "Endlich hat ihnen jemand geglaubt, und das hatte Folgen. Nach Jahren und Jahrzehnten der Bagatellisierung, des Kleinredens und Wegsehens ist das eine ganz entscheidende Erfahrung."

Kritik am System der Opferentschädigung

Der Landgerichtspräsident kritisierte auch das System der Opferentschädigung in der Kirche. Die dafür zuständige "Unabhängige Kommission" sei von den Bischöfen mitbestimmt worden. Auch bei den Entschädigungssummen rede die Kirche ab einer bestimmten Höhe mit.

Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht (KNA)
Symbolbild Geld und Kirche / © Julia Steinbrecht ( KNA )

"Die Entscheidungen sind weder transparent noch einer neutralen Beurteilung von außen zugänglich. Im Grunde ist das Verfahren eine 'Blackbox'", sagte er. "Das alles halte ich für ausgesprochen nachteilig, nicht zuletzt, weil damit die notwendige Weiterentwicklung eines so sensiblen Bereichs wie der Opferentschädigung nach Sexualstraftaten erschwert oder verlangsamt wird."

Chronik des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche

Januar 2010: Der Leiter des Canisius-Kollegs der Jesuiten in Berlin, Pater Klaus Mertes, macht durch einen Brief an ehemalige Schüler den Missbrauchsskandal an seiner Schule bekannt. Jesuiten hätten in den 1970er und 80er Jahren Schüler sexuell missbraucht. Er löst damit eine Welle von Enthüllungen zu Missbrauchsfällen in der Kirche, aber auch in Schulen und anderen Institutionen aus.

Canisius-Kolleg in Berlin / © Christoph Scholz (KNA)
Canisius-Kolleg in Berlin / © Christoph Scholz ( KNA )

 

Quelle:
KNA