Gewalt nach WM-Niederlage

"Brasilien steh auf!"

Zehntausende brasilianische Fans nahmen die historische Schlappe gegen Deutschland im WM-Halbfinale nach der Partie resigniert, aber friedlich hin. In einigen Städten entlud sich der Frust hingegen auch in Gewalt.

Brasiliens Niederlage (dpa)
Brasiliens Niederlage / ( dpa )

Nach Brasiliens 1:7-Niederlage im WM-Halbfinale gegen Deutschland ist es in dem südamerikanischen Land mancherorts zu Ausschreitungen gekommen. Die Sicherheitskräfte waren mit großen Aufgeboten im Einsatz. In São Paulo seien 23 Busse in Brand gesetzt worden, berichtete das Nachrichtenportal UOL in der Nacht zum Mittwoch. Bei 20 der Fahrzeuge habe es sich um stillgelegte Busse gehandelt, die in einem Depot der Verkehrsbetriebe standen. Niemand sei verletzt worden. Des weiteren hätten in der Millionenmetropole Unbekannte drei Busse sowie zwei Autos angezündet. Zudem sei ein Geschäft für Elektrogeräte geplündert worden. Die Polizei habe sechs Menschen festgenommen, darunter vier Minderjährige.

Präsidentin tröstet Landsleute nach WM-Aus

Präsidentin Dilma Rousseff schickte eine ungewohnt emotionale Botschaft via Kurznachrichtendienst Twitter. "Es tut mir unendlich leid für uns Fans und für unsere Spieler", schrieb sie. "Aber lassen wir uns nicht unterkriegen." Und ganz staatstragend fügte sie hinzu: "Brasilien steh auf, schüttel den Staub ab und geh voran!"

In Belo Horizonte, wo die denkwürdige Partie stattfand, sei es auf den Rängen des Mineirão-Stadions zu Rangeleien gekommen, berichtete das Portal UOL weiter. Beim Feiern eines der Tore habe ein deutscher Fan einen Schlag auf das rechte Ohr erlitten. Der junge Mann sei in der Krankenstation des Stadions behandelt worden. Er habe auf der rechten Seite vorübergehend das Gehör verloren, hieß es weiter.

"Ich bin nicht böse. Aber ich bin sehr traurig, weil ich meine Mannschaft nicht sehen kann", wurde der Deutsche zitiert. Mindestens vier Randalierer seien des Stadions verwiesen worden. Bei Krawallen in der Stadt setzte die Polizei Tränengas ein und nahm vier Menschen fest, wie es weiter hieß.

Festnahmen gab es auch in Salvador da Bahia, wo es bei einem Fanfest zu Auseinandersetzungen kam. Ein Konzert des Musikers Leo Santana wurde daraufhin abgesagt. An der Copacabana in Rio de Janeiro liefen nach dem Spiel Hunderte Fans wegen Schlägereien verängstigt auseinander. Es wurden auch Überfälle gemeldet, wie die Polizei mitteilte. Zehntausende Seleção-Anhänger hatten die FIFA-Fanfeste im Land dagegen traurig und enttäuscht, aber völlig friedlich verlassen.

Die historische Niederlage der Seleção im Halbfinale gegen Deutschland schockt ganz Brasilien. Die Tageszeitung "Folha de São Paulo" kennt am Mittwoch nur ein Wort: "Massakriert" prangt in schwarzen Buchstaben auf der Titelseite ihrer Online-Ausgabe. "Historische Schande" titelt die Tageszeitung "Estado de São Paulo". "Ein Trauma, eine nationale Tragödie", kommentiert der TV-Sender Globo das 1:7-Fiasko, das Brasiliens Hoffnungen auf den WM-Pokal zerstörte.

Der Traum vom Titelgewinn im eigenen Land wurde binnen Minuten zerstört. Fassungslosigkeit herrschte bei den Spielern im Stadion Minerão in Belo Horizonte und bei den Fans gleichermaßen.

Verstärkte Sicherheitsvorkehrung bis zum Finale

Aus Angst vor Ausschreitungen sollen bis zum Ende der Weltmeisterschaft am Sonntag die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt werden. Vor allem die Regierung habe Angst, dass die Protestdemonstrationen wegen der Milliardenausgaben wieder aufflammen könnten, schreiben brasilianische Medien. Im Stadion Minerão wurde Rousseff, die selbst nicht anwesend war, wie beim Eröffnungsspiel lautstark beschimpft und mit obszönen Beleidigungen bedacht.

Denn mit dem Siegeszug der brasilianischen Nationalelf war auch die Kritik an den überdimensionalen Kosten für die WM verstummt. Nach einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Datafolha befürworteten zuletzt 63 Prozent des Befragten die Weltmeisterschaft im eigenen Land. Vor einem Monat waren es erst 51 Pozent. Auch Rousseff konnte sich über vier Prozentpunkte mehr Popularität seit Beginn der Copa freuen und legte auf 38 Prozent zu. Mit der Niederlage könnte sich der Trend aber wieder ändern. Anfang Oktober stellt sich Rousseff zur Wiederwahl.


Vor dem Spiel (dpa)
Vor dem Spiel / ( dpa )

Ausgebrannter Bus in São Paulo (dpa)
Ausgebrannter Bus in São Paulo / ( dpa )
Quelle:
dpa , epd