DOMRADIO.DE: Haben Sie darüber nachgedacht, ob Sie den Karnevals-Gottesdienst vertagen wegen der Beerdigung in Rom?
Robert Kleine (Stadtdechant in Köln): Nein, weil es kein Karnevals-Gottesdienst ist, sondern der Dom-Gottesdienst für die Karnevalisten. Und wir feiern natürlich auch andere Gottesdienste. Wegen des Todes von Benedikt einen Gottesdienst ausfallen zu lassen, halte ich nicht für sinnvoll. Wir werden natürlich auch heute Abend des verstorbenen Papstes gedenken.
DOMRADIO.DE: Aber es ist natürlich kein Gottesdienst wie jeder andere. Da kommen die Jecken und Jeckinnen in bunten Kostümen. Das ist ein Punkt, an dem Leute sich fragen: Passt das mit diesem ernsten Anlass in Rom zusammen? Warum spricht das für Sie nicht dagegen?
Kleine: Man kann den Gottesdienst dankenswerterweise im DOMRADIO und auf DOMRADIO.DE mitverfolgen. Natürlich haben die Menschen ihre Uniformen oder Kostüme an, aber stellen Sie sich mal vor, man den Gottesdienst nur hört, ohne zu schauen: Wir beginnen den Gottesdienst mit 'Freut euch ihr Christen', es wird eine Kerze gesegnet, es gibt die Lesungen vom Hochfest 'Epiphanie Heilige Drei Könige, darüber werde ich predigen. Es gibt Fürbitten, in denen der Heilige Vater mit benannt ist, das 'Vaterunser, 'Großer Gott, wir loben dich' und 'Gottes Stern leuchte uns'. Das sind die Lieder. Wenn man die Augen zu hätte, würde man die Kostümierten nicht sehen und vielleicht denken: Warum spielt hier eine eine Kapelle und nicht nur die Orgel? Würde man gar nicht erkennen, dass Karnevalisten da sind.
Dann haben wir zwei Lieder. Einmal 'Stammbaum', das Lie erzählt vom Zusammenhalt. Und das ist doch etwas, was wir gerade auch in Rom erleben, dass Menschen aus allen Nationen zusammenkommen und zusammenstehen. Es spricht doch nach dem Tod des Heiligen Vaters nichts dagegen dieses Lied zu singen. Dann, am Ende, "Am Dom zo Kölle", am Dom, der nach Bekanntwerden des Todes von Benedikt XVI. den 'dicken Pitter' hat läuten lassen. Ich denke, wir feiern hier keine Karnevalssitzung. Es ist nicht 'Heidewitzker, Herr Kapitän', es ist die Bitte, um eine friedliche, schöne und harmonische Session.
Der Heilige Vater ist vergangenen Silvestertag verstorben. Ich glaube daran und vertraue als Christ fest darauf, dass er jetzt Gott sieht, so wie er ist. Wir haben hier keinen Prozess des Leidens, wir haben kein Siechtum, sondern wir haben den Heiligen Vater, der das Ziel seines irdischen Pilgerweges erreicht hat. Also der Apostel Paulus sagte im ersten Thessalonicher-Brief: "Trauert nicht wie die, die keine Hoffnung haben."
DOMRADIO.DE: Denken Sie, dass dieser Gottesdienst auch im Sinne des emeritierten Papstes gewesen wäre?
Kleine: Das wage ich so nicht zu beantworten, weil ich es natürlich nicht weiß. Aber ich glaube, und es ist doch unsere Hoffnung, dass mit dem Tod nicht alles vorbei ist. Wir haben sogar ein Karnevalslied von den Bläck Fööss: "Es gibt ein Leben nach dem Tod". Da heißt es, 'dort oben, hoch im Himmel, da ist jeden Tag ein Fest'. Das ist mein Glaube.
Natürlich trauern wir, wenn wir von jemandem Abschied nehmen, wenn ein Mensch von uns gegangen ist, weil man seine Stimme nicht mehr hört, weil man ihn nicht mehr sieht. Aber letzten Endes liegt er jetzt im Petersdom, die sterbliche Hülle, der Körper und das, was Benedikt XVI. ausgemacht hat. Aber jetzt ist es doch so, so ist meine Hoffnung, dass er sich schon in der Liebe Gottes befindet, die wir den Himmel nennen.
Er hat das Dreigestirn damals empfangen und hat sich den Orden umhängen lassen. Er war zum Weltjugendtag hier und das Motto in dem Jahr 2005 im Kölner Karneval war 'Kölle un die Pänz us aller Welt'. Daran werde ich natürlich heute Abend auch erinnern. Und dann wird es eine Würdigung, und ein würdiger Gottesdienst sein.
Wenn ich an Ostern denke: Früher gab es den Brauch des Osterlachens, da wurde der Tod ausgelacht mit einem Witz. Das ist doch die Hoffnung, die wir als Christen haben. Wenn ich diese Hoffnung nicht hätte, dann müsste ich wirklich in Sack und Trauer-Gewand gehen. Aber ich glaube, dass wir so angemessen nach dem Tod von Benedikt XVI. diesen Dom-Gottesdienst, besonders für die Karnevalisten, feiern können.
DOMRADIO.DE: Sie haben uns beschrieben, wie sich der Gottesdienst anhören wird. Da müssen Sie eine Sache erklären. Es gibt ein ganz spezielles Register an der Orgel, das nur an Karneval sichtbar wird.
Kleine: Ja, es gibt ein Register. Das ist damals bei der Neuinstallation der Orgel von der Orgelbau Firma Klais in Bonn eingebaut worden. Dann erklingt 'Mer losse de Dom in Kölle', es öffnet sich eine Klappe und es schwenkt eine Figur heraus, die den damaligen Dompropsts Bernhard Henrichs zeigen soll.
Dieses Register ist etwas gesichert, damit nicht jeder, der die Orgel spielt, wenn er alle Register zieht, auch dieses spzielle Register zieht. Das wird nämlich nur zu ganz besonderen Anlässen gezogen. Auf jeden Fall wird es auch am Karnevalssonntag gezogen. Wir müssen gucken, ob es heute in den Plan passt, damit man es kurz hört. Das Register heißt 'Loss Jonn'.
DOMRADIO.DE: Das Karnevals-Motto der aktuellen Session ist 'Ov krüzz oder quer', 'ob kreuz oder quer', das ist ja auch eine Anspielung, die die Kirche sehr gut aufgreifen kann.
Kleine: Das ist ein Lied, dass von Emil Jülich geschrieben wurde, einem jüdischen Komponisten. Es bedeutet "kreuz und quer". Im Duden habe ich nochmal nachgeguckt was es genau bedeutet; dass es drunter und drüber geht oder planlos ist. Er sagt damit eigentlich auch; wenn alles anders ist, als man sich das vorstellt: Wir halten fest an Karneval.
Es ist 1905 komponiert worden und getextet worden. Eine Zeit in der es politisch auch einige Unwägbarkeiten gab. Die Preußen hatten versucht, den Karneval zu unterdrücken. In dieser Situation sagt er: Wir feiern gerade jetzt, weil wir uns die Freude nicht verbieten lassen.
Wir hatten jetzt Corona. Im letzten Jahr haben wir den Rosenmontagszug ausfallen lassen wegen des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine. Da ist auch Einiges kreuz und quer gelaufen. Aber der Karneval, der ja in diesem Jahr mit dem Festkomitee Kölner Karneval 200-jähriges Jubiläum feiert ist geblieben. Er hat Bestand. Die Kölner lassen sich den Karneval nicht nehmen.
Das Interview führte Hilde Regeniter.