Zweige verdecken das Holzkreuz zur Hälfte, auf dem die Inschrift "Helmut Kohl 3.4.1930 -16.6.2017" langsam abbröckelt. Seit mehr als sieben Jahren liegt der Kanzler der Einheit in einem schlichten Grab auf dem Friedhof des Speyerer Domkapitels am Rande des Adenauerparks bestattet. Noch immer fehlt ein Grabstein.
Die letzte Ruhestätte des früheren Bundeskanzlers, der am 16. Juni 2017 im Alter von 87 Jahren starb, ist ein Provisorium. Anfangs pilgerten Menschenmassen dort hin, heute bleiben vor dem Zaun nur noch vereinzelt Fußgänger kurz stehen.
Zustand des Grabs sorgt für Diskussionen
Der Zustand des Grabes sorgt weiter für Diskussionen in der Bevölkerung. Der ältere Kohl-Sohn Walter (61) erneuerte kürzlich in der "Bild"-Zeitung seine Kritik: Die umzäunte Grabstätte sei "beschämend, absurd und unwürdig" für den ehemaligen Kanzler, CDU-Vorsitzenden und europäischen Staatsmann.
Kohls Söhne Walter und Peter (58) werfen der Witwe Maike Kohl-Richter (60) als Nachlassverwalterin vor, sich nicht angemessen um das Grab zu kümmern. Das Verhältnis zwischen ihnen gilt als zerrüttet.
Am 1. Juli 2017 war Kohl dort nach einer Trauerfeier im Speyerer Dom unter der Teilnahme von Staatsgästen aus aller Welt bestattet worden. Offenbar hatte der Altkanzler, der von 1982 bis 1998 im Amt war, seine Begräbnisstätte an symbolträchtigem Ort nur mit seiner zweiten Ehefrau geplant. Der Stadt Speyer und ihrem fast 1.000-jährigen Dom war der überzeugte Europäer besonders verbunden und hatte dort auch hochrangige Staatsgäste hingeführt.
Seine Söhne hätten ihn aber lieber im Familiengrab in Ludwigshafen-Friesenheim bestattet gesehen, wo auch Kohls erste Ehefrau und Mutter seiner Söhne, Hannelore, ihre letzte Ruhe fand.
Streit zwischen Bistum Speyer mit der Kohl-Witwe
Zuletzt sorgte vor zwei Jahren ein Streit zwischen der Stadt Speyer und dem Bistum Speyer mit der Kohl-Witwe über die
Grabgestaltung und den Betrieb einer Überwachungskamera für Aufsehen. Die Oberbürgermeisterin Stefanie Seiler (SPD) und das Bistum hatten Kohl-Richter wiederholt aufgefordert, das Grab ihres Mannes fertig zu gestalten. Ende 2022 bauten städtische Mitarbeiter die Kamera am Grab ab und schickten sie der Witwe zu.
Das Bistum hatte zuvor die provisorische Stromversorgung aus dem nahen Pfarrhaus der katholischen Friedenskirche St. Bernhard gekappt - wegen einer Grundsanierung des Gebäudes, wie es heißt. Die nur durch eine Hecke von Kohls Grab getrennte Kirche war von Deutschen und Franzosen gemeinsam als Zeichen des Friedens und der Versöhnung erbaut und 1954 eingeweiht worden.
Der Freiburger Rechtsanwalt der Kohl-Witwe, Stefan Wieser, wies indes Vorwürfe zurück, Kohls Grab befinde sich in einem unwürdigen Zustand. Vielmehr habe Maike Kohl-Richter es im Jahr 2019 in der jetzigen Form mit einer Einfassung aus heimischem weißen Sandstein gestaltet, seither werde es gepflegt. Das Kreuz sei erhalten geblieben, es habe "für ihren verstorbenen Mann und sie eine sehr persönliche Bedeutung". Für die endgültige Gestaltung sei die Kohl-Witwe über einen Anwalt mit Oberbürgermeisterin Seiler "im einvernehmlich verlaufenden Dialog".
CDU bietet Grabspende an
Die CDU Deutschlands signalisierte, sich gegebenenfalls an der Grabgestaltung finanziell zu beteiligen. "Wenn wir als CDU Deutschlands dazu unseren Beitrag leisten können, sind wir dazu selbstverständlich gerne bereit", sagte Generalsekretär Carsten Linnemann der "Bild"-Zeitung. Die rheinland-pfälzische CDU wünscht sich für das Grab "eine angemessene und würdevolle Gestaltung". Das Wann und Wie sei aber die Privatsache der Kohl-Familie, sagte eine Sprecherin.
Stadt und Bistum wollen sich an einer Gestaltung des Kohl-Grabesnicht beteiligen. Wenn die "finale Grabgestaltung seitens der Witwe steht", stünden Stadtverwaltung und Bistum zur Abstimmung bereit, informiert eine städtische Sprecherin.
Auch die 2021 gegründete Bundeskanzler-Helmut-Kohl-Stiftung in Berlin zeigt sich nach den Worten eines Sprechers "nicht glücklich" über den Zustand des Grabes - will aber dafür kein Geld geben. Die vom Bundestag beschlossene Stiftung erinnert an die politische Lebensleistung des CDU-Politikers - seine Witwe lehnt die Stiftung ab, weil sie Kohls letztem Willen widerspreche.