Müssen weiße evangelikale Christen nach Trump umdenken?

Gratwanderung zwischen Mission und Politik

Viele weiße evangelikale Christen in den USA haben mit Ex-Präsident Donald Trump einen ihrer ganz großen Unterstützer verloren. Bei der Umstellung und Neuausrichtung geht es nicht ohne interne Konflikte ab.

Kirche in den USA / © PhotoLizM (shutterstock)

Der Amtswechsel im Weißen Haus hat die evangelikale Bewegung in den USA erschüttert. Im mehrheitlich weißen und evangelikal geprägten Südlichen Baptistenverband, der größten protestantischen Kirche der USA, fragt man sich, ob die frühere Nähe zu Donald Trump dem Verkündigungsauftrag geschadet hat. Beim Begriff "evangelikal"  würden viele US-Amerikaner heute eher an rechtslastige Politik und nicht an die christliche Botschaft das Evangeliums denken, heißt es etwa mit Blick auf den Umgang der Kirche mit der Black-Lives-Matter-Bürgerrechtsbewegung.

Der Präsident der "Southern Baptist Convention", J.D. Greear, warnte kürzlich: "Wir lieben unser Land, doch Gott hat uns nicht aufgefordert, Amerika zu retten." Vielmehr müsse die Kirche das Evangelium verkünden. Dazu sei die große Mehrheit der Südlichen Baptisten bereit, so Greear auf Twitter. Doch leider wollten "anscheinend viele Führungskräfte uns auseinanderreißen", bedauerte er.

Stimmen für frauenfreundlichere baptistische Kirche 

Für eine Umkehr zu einer toleranteren, vor allem frauenfreundlicheren baptistischen Kirche setzt sich etwa die Bibellehrerin Beth Moore aus Texas ein. Sie erreicht Millionen Zuhörerinnen und Leserinnen. In der evangelikalen Welt hat sie eine Debatte losgetreten. "Ich bin noch immer Baptistin, doch ich kann mich nicht länger mit den Südlichen Baptisten identifizieren", sagte die 63-Jährige Anfang März im Informationsdienst "Religion News Service".

In dem rund 14,5 Millionen Mitglieder zählenden Verband dürfen Frauen noch immer keine Pastorinnen werden. Es gehöre zur "Schöpfungsordnung", dass Gott die "männliche Stimme" als die Stimme der Prediger ausgesucht habe, begründete der Theologe Albert Mohler vom "Southern Baptist Theological Seminary" in Kentucky diese Vorschrift.

Beth Moore sucht keine direkte Konfrontation mit dem "Frauenverbot". Sie ist absolut bibeltreu und bekennt: "Ich liebe Jesus." 1995 hat sie die Organisation "Living Proof Ministries" gegründet. Ihre Bibelarbeiten und Bücher für Frauen stoßen auf großes Interesse. Wegen des Andrangs finden Vorträge von ihr in großen Versammlungshallen statt.

Rund drei Viertel​ der Evangelikalen stimmten für Trump

Bei Trumps Wahlkampf 2016 war sie laut eigenen Worten erschüttert über die verhaltene Reaktion von Evangelikalen auf das damals bekanntgewordene Video, auf dem Trump abfällig und höhnisch über Frauen spricht. Wegen ihrer Kritik an Trump war sie innerhalb der Kirche stark angefeindet worden. Ende 2020 schrieb sie auf Twitter, sie habe nie etwas so "Verführerisches und Gefährliches" erlebt wie den "Trumpismus". Dieser "christliche Nationalismus kommt nicht von Gott".

Doch zahlreiche weiße Evangelikale trauern weiter der Zeit mit Trump als US-Präsident hinterher. Rund drei Viertel der weißen evangelikalen Wähler hatten im November 2020 noch für Trump gestimmt, wohl nicht zuletzt wegen seines Versprechens einer Rückkehr zu den vermeintlich guten alten Zeiten und einem starken Amerika. Bei Kundgebungen von Trump-Anhängern gegen einen angeblichen Betrug bei der Präsidentschaftswahl im November waren zudem zahlreiche christliche Symbole zu sehen.

Doch "weiße evangelikale Protestanten sind an einem sehr gefährlichen Punkt angekommen", erklärte jetzt das Politikforschungsinstitut "Public Religion Research Institute". Die früher dominierende Mehrheit sei heute bei religiösen und gesellschaftlichen Themen aus dem Tritt geraten, so Institutsdirektor Robert Jones im Magazin "Salon.com".

Rassismus bei weißen evangelikalen Christen weit verbreitet

Die Religionswissenschaftlerin Anthea Butler rechnet in ihrem Ende März erscheinenden Buch "Weißer evangelikaler Rassismus: Die Politik der Moralität in Amerika" hart mit der evangelikalen Bewegung ab. Der Rassismus sei bei weißen evangelikalen Christen tief verwurzelt, schreibt die Autorin. Viele hätten früher die Sklaverei befürwortet und Schwarze als minderwertig betrachtet.

Einige schwarze Pastoren haben in letzten Monaten den Südlichen Baptistenverband verlassen. Aktueller Anlass war die Auseinandersetzung in der Kirche um das im progressiven Amerika und in der akademischen Welt gebräuchliche moderne Konzept der "kritischen Rassentheorie" ("critical race theory").

Diese geht davon aus, dass rassistische Vorurteile und Strukturen tief sitzen und das Leben nach wie vor beeinflussen. Zugleich sollen Wege zu einem neuen Denken aufgezeigt werden. Die Präsidenten der sechs theologischen Hochschulen ("Seminaries") des Baptistenverbandes, alles weiße Männer, erklärten Ende November allerdings gemeinsam, die kritische Rassentheorie sei mit baptistischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren. Der Südliche Baptistenverband wurde 1845 durch die Abtrennung von anderen Baptisten gegründet, die die Sklaverei ablehnten. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehen die Mitgliedszahlen zurück.

Von Konrad Ege


Die US-Präsidentschaftskandidaten: Joe Biden (l.) für die Demokraten und Donald Trump für die Republikaner / © Rourke/Semansky (dpa)
Die US-Präsidentschaftskandidaten: Joe Biden (l.) für die Demokraten und Donald Trump für die Republikaner / © Rourke/Semansky ( dpa )
Quelle:
KNA
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