Bruder Paulus analysiert Wirbel um Tennisstar Djokovic

"Größenwahn, den es immer wieder gibt"

Wirbel weltweit um den Tennisstar Djokovic, der am Ende Australien verlassen musste, weil er nicht gegen Corona geimpft war. Warum aber hat diese Personalie so viele Menschen weltweit bewegt? Eine Nachfrage bei Bruder Paulus Terwitte.

Tennis-Profi Djokovic - Ankunft in Belgrad / © Darko Bandic/AP (dpa)
Tennis-Profi Djokovic - Ankunft in Belgrad / © Darko Bandic/AP ( dpa )

DOMRADIO.DE: Djokovics Vater hat den berühmten Sohn sogar mit Jesus verglichen, das ist ziemlich daneben, oder?

Bruder Paulus Terwitte (KNA)
Bruder Paulus Terwitte / ( KNA )

Bruder Paulus Terwitte (Kapuzinerpater in Frankfurt und Medienexperte): Ja, das ist natürlich der Größenwahn, den es immer wieder gibt, wenn man Klickzahlen oder Einschaltquoten für eine Wertaussage hält über den Menschen oder über seine Taten. Und das müssen wir als Christen schon deutlich sagen, dass der Wert des Menschen sich nicht an Zahlen bemisst und auch nicht an der Größe von Schlagzeilen, sondern dass in seinem Herzen ein ganz anderer Wert schlummert. Und den hat der Herr Tennisspieler offensichtlich ein bisschen vergessen.

DOMRADIO.DE: Warum hat dieser Fall Djokovic die Gemüter überhaupt so erhitzt? Es geht doch eigentlich nur darum, ob ein einfacher Tennisspieler an einem einfachen Tennisturnier teilnehmen darf, oder?

Paulus: Das ist eine Folge dessen, dass wir Menschen einfach es manchmal schrecklich finden, dass wir uns an Regeln halten müssen, an die Gebote, an die Gesetze, die Impfregeln, an alle Abstandsregeln jetzt, das geht einem ja wirklich nur auf die Nerven. Und da möchte man gerne doch auch mal die Ausnahme von der Regel sein. Alle sollen die 2G+ im Restaurant einhalten. Aber ich könnte doch auch mal sagen, ich brauche das nicht. Und dass jemand sich nicht an die Regeln hält und mal guckt, was die Mächtigen mit ihm machen, das ist schon wirklich ein ganz, ganz wichtiger Nachrichtenwert, weil wir im Alltag manchmal den Verdacht haben, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt. Und deswegen finde ich das jetzt ganz schön, dass das Bundesgericht in Australien gesagt hat, hier gilt gleiches Recht für alle.

DOMRADIO.DE: Sportler sind ja eigentlich einfach nur Sportler. Jetzt sollen sie auf einmal auch so enorme moralische Vorbilder sein. Überfordern wir sie damit nicht auch ein bisschen? Die sind ja nur Fußball- oder Tennisspieler.

Paulus: Nein, das sind natürlich Spieler in einem großen Zirkus. Allein wenn man den Fußball anschaut, wenn man sieht, welche Summen da umgesetzt werden, was da für Etats verarbeitet werden. Da können ja manche Bistümer in Deutschland nur vor Neid erblassen, was für dieses Theater an Geld aufgewandt wird. Und Menschen lassen sich davon auch erfreuen. Wir gehen da alle mit. Und dann wird genau diese Show gemacht. Da sind die großen Stars und können da unten spielen. Aber ob die menschlich dann Stars sind und ob die das zweite oder dritte Mal verheiratet sind, wie die zu ihren Eltern und Großeltern stehen, ob die ihre alte Tante im Pflegeheim besuchen oder nicht, das interessiert eigentlich nicht. Und wenn man dann irgendwie sieht, dass jemand da was nicht macht, dann ist das der besonders große Bösewicht, weil er ein besonders großer Star ist. Und von daher verstehe ich, dass die Stars auch dann in ihrem normalen Leben sehen sollten, dass sie das tun, was wir von allen Menschen verlangen: ein Leben zu führen mit Herz und Verstand.

DOMRADIO.DE: Tatsächlich werden Sportler bei uns aber schon so regelrecht in einen Heiligenstatus erhoben. In Gelsenkirchen wurde jetzt sogar der Fußballer Stanley Buda umgebettet, vom städtischen Friedhof in die Nähe des Stadions. Ist das so? Sind unsere Sportler unsere neuen Heiligen?

Paulus: Das glaube ich nicht, dass das die neuen Heiligen sind. Für manche Menschen sind sie tatsächlich Vorbilder und ich finde nach wie vor schön, dass es das Sammelalbum gibt und so weiter. Wir brauchen das. Das gibt es auch in anderer Hinsicht. Das ist ein großer Konsens in unserer Gesellschaft. Andere Sportarten, die genauso schön sind, haben es da einfach schwerer. Darüber beklagen sich ja auch die anderen Sportler. Ich glaube, dass wir da vorsichtig sein sollten mit dem Wort "Heilige". Es sind prominente Menschen, sie haben Vorbildfunktion, sie haben Massen bewegt, Menschen begeistert. Das soll man ihnen auch lassen. Die Ehre soll man ihnen erweisen. Aber Heilige sind ja nun eigentlich Menschen, die sich auszeichnen durch besonders gute Barmherzigkeit gegenüber den Armen und ein besonderes offenes Herz Gott gegenüber. Und die vor allen Dingen wissen, dass sie selber nicht Gott sind. Und da kann ja vielleicht mal mancher Fußballprofi bei sich so gucken, ob er das noch weiß.

DOMRADIO.DE: Wenn Sportler nicht unbedingt als Vorbilder taugen, als moralische, wer tut das dann? Greta Thunberg, Barack Obama, Papst Franziskus. Wer ist für Dich persönlich Vorbild?

Paulus: Vorbild ist für mich eigentlich die alleinerziehende Mutter hier in Frankfurt, die ihre zwei Kinder aufzieht, die noch arbeiten geht, die ganz in Ruhe ihre Dinge tut, die ich manchmal auch bei uns in der Kirche sehe und von der niemand weiß, wie anstrengend ihr Alltag ist. Und wenn ich mit mit ihr manchmal kurz austausche, dann denke ich, das ist eine Heilige. Da habe ich allergrößte Achtung vor.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Paulus Terwitte OFMCap

Bruder Paulus wurde als Bernhard Gerhard Terwitte 1959 im westmünsterländischen Ahaus geboren. Nach dem Abitur lernte er den Kapuzinerorden kennen. Mit 19 Jahren trat er in den Orden ein, studierte Theologie in Münster und Graz und wurde am 11. Mai 1985 in Münster zum Priester geweiht.

Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth (KNA)
Bruder Paulus Terwitte im Portrait / © Norbert Demuth ( KNA )
Quelle:
DR