"Wo geht´s denn hier lang?" Nur einen klitzekleinen Moment zeigt sich der Kardinal der Weltkirche orientierungslos. Dann hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Kardinal Marx seinen Weg durch Journalistenschar im Kardinal-Schulte Haus in Bensberg gefunden. "Aha - wie in der Turnhalle", freut sich der suchende Erzbischof. Bei der Auftaktpressekonferenz der Frühjahrsvollversammlung im Erzbistum Köln sind die nötigen Laufwege mit einem Klebeband sauber markiert. Dann steht der Erzbischof von München endlich vorne an den Mikros, eingerahmt von zwei weiteren Männern im dunklen Schwarz, dem Sekretär der Bischofskonferenz Pater Hans Langendörfer und seinem Pressesprecher Matthias Kopp. Blitzlichtgewitter sorgt für das nötige Licht, Kameras klicken und Kameramänner rangeln um die beste Perspektive im nüchternen Tagungsraum. Vor den Toren des Medienstandortes Köln ist das Interesse groß.
In seinem Eröffnungsstatement holt der Kirchenmann, der in Europa und der Weltkirche genauso zuhause ist wie in seinem bayrischen Erzbistum, dann die große weite Welt hier ins beschauliche Bergische Land:
- Abschiebung von Flüchtlingen in unsichere Herkunftsländer - diese rote Linie darf nicht überschritten werden;
- Parteien, die ganze Religionen ausgrenzen und bedrohte Flüchtlinge nicht ins Land lassen wollen – mit der Botschaft des Christentums nicht vereinbar;
- Populismus hat es immer gegeben - aber die Katholische Kirche steht hier klar auf der Seite der verantworteten Freiheit;
- Ökumene wird im Jubiläumsjahr der Reformation natürlich groß geschrieben, aber es darf nicht immer erwartet werden, dass sich nur die katholische Kirche bewegt.
Womit der Kardinal dann auch bei den innerkirchlichen Themen ist:
- Klar, die Rolle des Priesters muss neu definiert werden - das ist eine riesengroße Herausforderung - die muss breit diskutiert werden;
- über das von den deutschen Bischöfen vorgelegte Arbeitspapier zu Amoris Laetita hat sich der Papst sehr gefreut …
Und natürlich wollen die Bischöfe hier in Bensberg auch über das liebe Geld und die gerechte und notwendige Verteilung beim gemeinsamen Haushalt sprechen. Da ist wohl was falsch rüber gekommen, findet Marx. Nur weil die Bischöfe Einsparungen vornehmen müssen, bedeute das doch nicht, dass betroffene Einrichtungen und Arbeiten von ihnen nicht wertgeschätzt würden - z.B. die gute und wichtige Arbeit bei Pax Christi. Mögliche neue Finanzierungswege müssten gemeinsam gesucht werden. Dann noch ein paar Fragen der Journalisten locker und aus der Hüfte beantwortet und schon eilt der Kardinal weiter in den großen Sitzungssaal im Kardinal Schulte Haus. Hier sitzen die 65 Bischöfe dann, sorgfältig aufgereiht nach Rang und Weihedatum. Kölns "junge" Weihbischöfe Puff und Steinhäuser sind durch bischöflichen Nachrücker schon ein wenig nach vorne gewandert.
Kaum Zeit für Müßiggang
Ach ja, hier oben, auf dem landschaftlichen Balkon des bergischen Landes können man herrlich wandern, weiß ein ehemaliger Kölner Weihbischof zu berichten. Aber dafür lässt die dichte Tagesordnung nur wenige Minuten in der Mittagszeit frei - und selbst da sind Sondersitzungen und Kommissionen angesetzt.
Aber die Fraktion der Langläufer hat trotzdem die Trainingsschuhe eingepackt. Erzbischof Schick, Bischof Overbeck oder Weihbischof Schwaderlapp werden also vermutlich wie gewohnt schon am frühen Morgen vor der Frühmesse ihre Kreise im Halbdunkel der Morgendämmerung ziehen. Andere Bischöfe werden in den nächsten Tagen vielleicht doch nach der anstrengenden Kopfarbeit den neu eingerichteten Fitnessraum des Kardinal Schulte Hauses testen.
Pünktlich um 17:15 Uhr starten dann die versammelten Bischöfe und Begleiter mit ihren zwei Bussen Richtung Köln. Ein wenig erinnert die Fahrt an einen Klassenausflug, aber so ist wenigstens garantiert, dass die ganze Bischofsschar pünktlich zum großen Eröffnungsgottesdienst den Kölner Dom erreicht.
Dompropst entschuldigt
Fast 400 Kinder- und Jugendliche aus der kirchlichen Chorarbeit haben sich hier schon warm gesungen. Ihre hellen Stimmen und fröhlichen Gesichter bilden einen wohltuenden Kontrast zu den doch ein wenig ernst dreinschauenden Bischöfen und anderen Geistlichen, die hier in großer Zahl das Chorgestühl der Hohen Domkirche füllen. Einen Lacher erntet nur Domkapitular Assenmacher, der für den Dompropst die hohen Gäste im Dom begrüßt, weil der Propst "noch mit den Folgen des Karnevals zu kämpfen" habe.
Dem Kölner Domkapitel stockt kurz darauf der Atem, als Kardinal Marx mal eben so aus dem Handgelenk schüttelt, dass der Dom eigentlich nicht dem Kapitel, auch nicht dem Kölner Kardinal und lieben Mitbruder Rainer gehöre, sondern der ganzen Welt. Die ehrwürdigen Kölner Domherren schmunzeln weise in sich hinein, wohl wissend, wer hier im Dom wirklich den Ton angibt. An diesem Abend waren das aber ohne Frage nicht die vielen ergrauten Kirchenmänner aus nah und fern, sondern die wunderbaren Stimmen der Kinder und Jugendlichen, die einmal mehr für die nötige emotionale Wärme in der Liturgie sorgten. Wunderbar klare und reine Stimmen in einer wunderbaren Kathedrale, die ihre ganze Schönheit gerade bei solchen Großgottesdiensten zeigt und so demonstriert, was ihre Baumeister sich unter dem "Himmlischen Jerusalem" vorstellten.
Aber der Mensch lebt nicht von der Liturgie alleine – und so freute sich mancher Bischof mit eiskalten Füssen nach dem Gottesdienst auf die exzellenten Kochkünste des Kardinal Schulte Hauses.
Ein Herz für Ministranten
Ein Bischof aber eilte nach der Messe nicht sofort auf dem schnellsten Weg zum bereitstehenden Bus. Wie im Evangelium gerade noch angemahnt, hatte er wirklich den Nächsten im Blick: Der Paderborner Weihbischof König begrüßte eine treue Messdienerschar aus seinem Heimatbistum, die er am Rande entdeckt hatte. Ganz spontan zog er dann einen echten Fünfziger aus seiner Geldbörse: "Engagierte Messdienerarbeit muss belohnt werden – ich übernehme Euer Abendessen bei Mc Donald´s!" Strahlende Augen der Jugendlichen zeigten, hier trifft ein Bischof genau den richtigen Ton und steht mal wirklich mitten im Leben. Aber auch der Vorsitzende zeigte sich am Ende des ersten Tages und des Eröffnungsdienstes im Kölner Dom sehr lebensnah und gutgelaunt. Beim Blick über die Schulter vor dem Schlusssegen freute sich Kardinal Marx wunderbar doppeldeutig: "Man sieht, die Bischofskonferenz steht geschlossen hinter mir!" Über diese frohe Botschaft musste der Vorsitzende dann doch selber schmunzeln…
Ingo Brüggenjürgen
domradio.de Chefredakteur