DOMRADIO.DE: Wie muss ich mir das vorstellen? Sie sitzen als geduldiger Zuhörer in einem Kiosk hinter der Glasscheibe und warten auf "Kundschaft", die Ihnen etwas erzählt?
Christoph Busch (Autor und Zuhörer): So kann man sich das vorstellen. Der Kiosk ist rundherum verglast, eine Ecke habe ich ein bisschen abgehängt, damit man ein bisschen Sichtschutz hat – es ist ein bisschen wie ein kleiner Beichtstuhl. Und ich habe einen Schalter, da kann ich ein erstes Gespräch führen und eine Tür, durch die man dann reinkommen kann.
DOMRADIO.DE: Und hören Sie nur zu oder antworten sie auch?
Busch: Ich höre vor allen Dingen zu. Oft erzähle ich auch erst etwas von mir, weil die Leute natürlich wissen wollen, mit wem sie es zu tun haben. Aber dann gebe ich durchaus auch Ratschläge.
DOMRADIO.DE: Wie sind Sie denn darauf gekommen einen Erzähl- beziehungsweise einen Zuhör-Kiosk zu eröffnen?
Busch: Das wüsste ich gerne selber. Ich habe damals gelesen, dass er zu mieten war, und habe mir gedacht, ich setze mich da hin und höre gelegentlich mal eine Geschichte, aber eigentlich wollte ich da selber an einem Drehbuch schreiben. Während ich renovierte, habe ich gemerkt, dass die Leute ganz begeistert waren, wenn ich sagte, ich höre dann auch gut zu: "Das macht ja heute keiner mehr", sagten sie. Und dadurch hat sich der Punkt ein bisschen verlagert. Im Mietvertrag steht Schreibstube aber eigentlich müsste da Zuhörstube stehen.
DOMRADIO.DE: Die Resonanz ist ganz schön hoch. Viele kommen sie besuchen. Welche Geschichten kommen Ihnen denn da zu Ohren?
Busch: Sehr verschiedene und natürlich viele unglückliche, weil man das Glück ja überall präsentieren kann. Im Detail gehe ich eigentlich nie darauf ein, weil ich nicht möchte, dass irgendjemand den Eindruck hat: "Jetzt redet der über mich".
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn damit gerechnet, dass so persönliche Geschichten an sie herangetragen werden?
Busch: Nein, ich habe eigentlich so Autorenfantasien gehabt: Da kommt jemand, erzählt mir eine schöne Geschichte und ich mache daraus ein Drehbuch oder es entsteht der Teil einer Figur oder so etwas. Dass es so viele dramatische Geschichten würden, habe ich nicht gedacht und ich bin auch gar nicht mehr darauf aus, Anregungen für Drehbücher zu bekommen. Die bekomme ich indirekt natürlich schon. Ich bin ganz gebannt und gespannt, was zwischen mir und meinen jeweiligen Besuchern passiert.
DOMRADIO.DE: Jetzt betreiben Sie Ihren Kiosk ja nicht mehr nur wegen dieser Idee des Schreibens. Hat das was mit ihnen gemacht wird?
Busch: Auf jeden Fall. Denn ich mache natürlich viele Gefühle durch. Wenn mir jemand gegenübersitzt und ich ihn beobachte, dann halte ich mir das Gefühl ja nicht vom Leibe, wie man das als Profi vielleicht machen würde. Wenn ich empathisch sein will, dann muss ich auch mitfühlen. Gott sei Dank nicht immer in dem Maße wie die Menschen das empfinden, wenn sie unglücklich sind. Aber es geht mir schon durch. Und mir ist aufgefallen, dass ich die Leute anders beobachte und auch viel mit den Augen zuhöre, schaue, was in den Gesichtern vorgeht. Da war ich früher viel oberflächlicher.
DOMRADIO.DE: Fühlen Sie sich denn selbst ein bisschen wie eine Art Seelsorger?
Busch: Als ich renoviert habe, haben die Leute geklopft und gefragt: "Was wird das denn? Sind Sie Seelsorger? Sind Sie von der Caritas? Sind Sie Coach?" Das geht schon ein bisschen in die Richtung, ob ich will oder nicht. Aber ich glaube, das Wort ist mir zu hoch. Ich bin einfach Christoph Busch und vielleicht bin ich für einen Augenblick ein fremder Freund. Man kann mit mir reden, als hätte man mich schon ganz oft getroffen, aber man muss mich nie wiedersehen.
Das Interview führte Katharina Geiger.