DOMRADIO.DE: Die Corona-Situation eines Landes hängt ja auch immer davon ab, wie viele Menschen schon vollständig geimpft sind. Wie sieht das bei Ihnen in Rumänien aus?
Claudiu Nikusan (Ordinariat Erzdiözese Blaj): Die Corona-Situation in Rumänien sieht alles andere als gut aus. Auch wenn die Impfungen letztes Jahr in Rumänien ganz gut angelaufen sind, zeigen die offiziellen Statistiken, dass nur knapp 30 Prozent der rumänischen Bevölkerung geimpft sind. Das heißt, circa 5.000.700 Menschen. Von insgesamt mehr als 1,5 Millionen Covid-19-Infizierten sind etwa 85 Prozent geheilt, aber zu viele gestorben - 2,78 Prozent.
DOMRADIO.DE: Woran liegt das denn? Warum ist die Impfquote in Rumänien so gering?
Nikusan: Ich frage mich auch, was die anderen Staaten in Europa richtig und wir in Rumänien falsch gemacht haben. Was mir jetzt auffällt, ist die allgemeine, kohärente politische Haltung im Kampf gegen die Pandemie. Zum Beispiel in Dänemark mit über 72 Prozent Impfquote scheint es keinen Konflikt zwischen Regierung und Opposition zu geben.
In Rumänien wurden im Fernsehen viele Politiker aus der Opposition - sogar Abgeordnete - präsentiert, die sich gegen das Impfen geäußert haben. Das waren nicht nur Politiker, sondern auch einige Bischöfe der orthodoxen Kirche. In einem Land, wo über 80 Prozent der Bevölkerung Mitglieder einer Kirche sind, wie zum Beispiel in der orthodoxen Kirche, führt so eine undeutliche und unklare Haltung der Priester oder der Bischöfe gegenüber der Corona-Impfung zu noch größerem Misstrauen der Menschen.
Auch die Aussage des Pressesprechers der Patriarchie im Fernsehen, dass die Kirche nicht die Kompetenz habe zu sagen, dass die Menschen sich impfen lassen sollen, sondern nur die Ärzte, war und ist meiner Meinung nach nicht hilfreich in dieser Zeit.
DOMRADIO.DE: Wie sieht es denn mit den Corona-Maßnahmen im öffentlichen Leben aus? Wie streng ist das noch in Rumänien?
Nikusan: Sie sind nicht so streng, wie sie sein sollten. Die Verwendung der Maske ist in Innenräumen erforderlich, in Büros oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Einkaufen, aber auch in einigen Freiflächen, in Bahnhöfen oder Busbahnhöfen. Zum Beispiel ist es in Bukarest sehr schwierig eine Quarantäne einzurichten, die uns im letzten Jahr geholfen hat, nur 500 Fälle pro 1.000 Einwohner im Land nicht zu überschreiten. Aber leider ist die Situation in größeren Städten heutzutage anders.
DOMRADIO.DE: Rumänien hat jetzt schon angefangen, Patienten ins benachbarte Ausland zu schicken. Wie versucht die Regierung noch gegenzusteuern?
Nikusan: Zunächst hat der Gesundheitsminister sich bei unseren Nachbarn für ihre Zusammenarbeit und Unterstützung bedankt. Das ist auch sehr schön. Wahrscheinlich hat auch viel dazu beigetragen, dass er Ungar ist. Es sei eine Geste europäischer Solidarität, sagte er. Rumänien hat auch andere Staaten unterstützt, wenn wir die Gelegenheit dazu hatten. Nach Ungarn sind zurzeit 50 Patienten in ernsthaftem Zustand verlegt worden. Aber diese Situation bedeutet, dass Rumänien davon überfordert ist und externe Unterstützung benötigt. Das Problem ist, dass für diese Situation nicht genügend medizinisches Personal vorhanden ist.
DOMRADIO.DE: Wie könnte in dieser Situation denn auch die Kirche helfen?
Nikusan: Als griechisch-katholisches Mitglied der Kirche werde ich natürlich jetzt über meine Kirche sprechen. Wenn ich mich auf den Klerus dieser Kirche beziehe, kann ich schon sagen, dass trotz aller Bemühungen, unsere Gläubigen zu schützen, mehrere Priester und Bischöfe an Covid-19 erkrankt sind. Unsere Kirche hat aber immer ein Beispiel gegeben, sich impfen zu lassen.
Das Interview führte Hannah Krewer.