Der Fall ist ebenso tragisch wie symptomatisch: Im Polo-Club der Stadt Port Harcourt im Südosten Nigerias wurden am Samstag 31 Menschen bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung totgetreten. Die Pfingstkirche Kings Assembly wollte auf dem großen Gelände des Polo-Clubs Lebensmittel und andere Güter an besonders Hilfsbedürftige verteilen. Offenbar hatten viele Menschen bereits seit Freitag auf den Einlass zur Veranstaltung unter dem Titel "Shop for Free" gewartet.
Wie es genau zu dem Unglück kam, wird nun ermittelt. Es heißt, dass Wartende ungeduldig geworden seien und versucht hätten, sich auf das Gelände zu drängeln. Die Rede ist von Hunderten Teilnehmern. Laut der nigerianischen Tageszeitung "The Punch" war die Mehrheit der Todesopfer Kinder. Sieben weitere Menschen wurden verletzt und im Krankenhaus behandelt.
Immer wieder werden Menschen zu Tode getreten
Bei Großveranstaltungen werden in Nigeria mit seinen 220 Millionen Einwohnern immer wieder Menschen zu Tode getreten. Vergangenes Jahr starben in der Stadt Monguno im Bundesstaat Borno sieben Frauen bei einer Verteilung von Lebensmitteln durch das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Dort hatten Tausende auf die Ausgabe gewartet, als die Situation außer Kontrolle geriet. Borno im Nordosten des Landes ist am stärksten von der Gewalt der Terrorgruppen Boko Haram und Islamischer Staat der Westafrikanischen Provinz (ISWAP) betroffen.
Dass gerade die kostenlose Abgabe von Lebensmitteln Menschen anzieht, liegt auch an der wachsenden Armut im Land. Nach Einschätzung der Weltbank leben vier von zehn Nigerianern unterhalb der Armutsgrenze.
Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat zusätzlich fünf Millionen Menschen in Armut gebracht. Die Inflationsrate lag laut Nigerianischer Zentralbank im April bei 16,8 Prozent.
Nach einer Untersuchung von SBM Intelligence, einem Unternehmen für Markt- und Sicherheitsanalysen mit Sitz in der Hafenmetropole Lagos, verdoppelte sich der Preis für einen 50-Kilo-Sack Reis seit 2016 und liegt bei umgerechnet knapp 55 Euro. Rindfleisch kostet dreimal so viel wie noch vor sechs Jahren. Der Mindestlohn, der nicht immer gezahlt wird, liegt allerdings gerade einmal bei gut 67 Euro.
Keine Fluchtwege und zu wenige Ordner
Zu Massenpaniken kommt es zudem regelmäßig bei Wahlkampfauftritten von Politikern. Ebenfalls in Port Harcourt kamen während einer Veranstaltung mit Amtsinhaber Muhammadu Buhari im Februar 2019 mindestens 15 Menschen ums Leben. Bei Großveranstaltungen gibt es häufig keine Fluchtwege und zu wenige Ordner.
Kirchen und kirchliche Veranstaltungen in ganz Westafrika sind in den vergangenen Jahren ebenfalls zum Schauplatz von Katastrophen geworden. 2014 stürzte in Lagos das Gästehaus der Kirche Synagogue Church of all Nations (SCOAN) ein. Die Mehrheit der 115 Todesopfer kam aus Südafrika. Bis zu 160 Menschen starben zwei Jahre später in einem unfertigen Neubau der Reigners Bible Church International. Bei der Eröffnung ihrer Kirche in Uyo im Bundesstaat Akwa Ibom stürzten erst die Metallträger und dann das Wellblechdach ein.
Anfang des Jahres starben im Bundesstaat Delta drei Personen, als in der Stadt Asaba eine Kirche zusammenbrach. 18 Menschen wurden verletzt. Grund für die Einstürze sind häufig Baumängel, qualitativ schlechtes Baumaterial und Probleme mit der Statik. Auch halten sich in den Gebäuden viel mehr Menschen auf als eigentlich zugelassen.
Betroffen ist allerdings nicht nur Nigeria: In Monrovia, der Hauptstadt von Liberia, gerieten im Januar Menschen in Panik, als sie an einem nächtlichen Freiluftgottesdienst einer Pfingstkirche teilnahmen. Dieser wurde am Strand gefeiert. Auf das Gelände war eine bewaffnete Bande eingedrungen. Auf der Flucht vor den Männern starben 29 Menschen, darunter elf Kinder.
In Port Harcourt hat Gouverneur Nyesom Wike unterdessen den Einsatz einer Untersuchungskommission angekündigt. "Im Namen der Regierung und der Bevölkerung des Bundesstaates Rivers bete ich zu Gott, den Hinterbliebenen die Kraft zu geben, den Verlust ihrer Lieben zu ertragen", sagte er.