Günther Uecker wird 80 Jahre alt

Mit dem Geist der Avantgarde

Seine Nagelbilder machten ihn international berühmt: In den 60er Jahren schlug Günther Uecker "eiserne Pinsel" in Holzplatten, Stühle und Tische. 1964 trieb er bei einer Ausstellungseröffnung gar unzählige Nägel in ein blank poliertes, nagelneues Klavier - deutsche Nachkriegskunst und in diesem Sinne sehr zeitgenössisch.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Ein Nagel ist ein kaltes, starres Ding. Und sein Zweck ist Halt und Stabilität. Günther Uecker arbeitet seit gut 50 Jahren mit Nägeln, schafft Nagelbilder und Nagelreliefs, und diesen Arbeiten wohnt eine eigene Dynamik, auch Vitalität inne. Das Überraschende dabei: Gelegentlich wirken die Nägel, die gemeinhin mit Kraft oder auch Aggression geschlagen werden, in ihrer Vielschar empfindlich.

Uecker, der an diesem Samstag 80 Jahre alt wird, steht für deutsche Nachkriegskunst und ist in diesem Sinne sehr zeitgenössisch.  Besonders deutlich wurde das mit seinem Engagement in der Künstlergruppe "ZERO", zu der er 1961, drei Jahre nach dem Abschluss der Studien an der Düsseldorfer Kunstakademie, beitrat. Nur wenige Jahre existierte die Gruppe, aber sie führte zurück auf die "Stunde Null" der jüngeren deutschen Geschichte. Und mit diesem Blick trug sie dazu bei, die deutsche Kunstszene aus der Isolation der 1950er Jahre hinauszuführen.

Bald kreuz und quer durch den Kontinent vernetzt
Zu diesem Ansatz kamen Ueckers familiäre Bande: Seine Schwester heiratete 1962 den nur wenige Monate später tragisch früh verstorbenen französischen Maler und Aktionskünstler Yves Klein. So zählte Uecker bald zu jenen Künstlern, die kreuz und quer durch den Kontinent vernetzt waren und Kontakte pflegten. Noch heute ist er viel unterwegs: Den 80. Geburtstag verlebt er anlässlich einer Ausstellungseröffnung in Japan.

Dabei legte Uecker früh schon weite Strecken zurück: Geboren wurde er im Flecken Wendorf im nördlichen Mecklenburg als Sohn eines Landwirts, und lernte in der DDR zuerst Maler und Reklamegestalter. 1953 siedelte er von Ost- nach Westberlin über, war dort einer der ersten Hausbesetzer. Zwei Jahre später nahm er an der Düsseldorfer Kunstakademie das Studium bei auf, dort fand er in Otto Pankok einen Lehrer seines Vertrauens - und weitere künstlerische Wegbegleiter.

Ueckers Wege kreuzten sich mit Hein Mack und Yves Klein, Joseph Beuys und, einiges später, Gerhard Richter. Als Uecker 1970 den deutschen Beitrag für die Biennale in Venedig mitgestaltete, war er längst einer der etablierten Größen des Kunstbetriebs. Die Nagelbilder sind seine bekanntesten, auch charakteristischsten Arbeiten. Doch Uecker malt auch und zeichnet, arbeitete mit Sand, entwarf Bühnenbilder, gestaltete mit Nägeln Möbel oder auch mal ein Klavier.

Grenzgänger zwischen Religion und säkularer Kunst
Seit Langem ist das Multitalent einer der interessanten Grenzgänger zwischen Religion und säkularer Kunst. 1980 schuf er die Bootsskulptur "Chichicastenango" für die Ausstellung "Zeichen des Glaubens - Geist der Avantgarde" beim Berliner Katholikentag, knapp 20 Jahre später gestaltete er den Andachtsraum des Berliner Reichstags. Aber es sind nicht nur solche Einzelarbeiten. In vielen Werken greift Uecker auf religiöse Bezüge zurück: Madonnen, Menschen in der Pose des Gekreuzigten, beispielsweise beim Projekt "Der geschundene Mensch", Bezüge auf die Gefährdung und Verwundbarkeit des Menschen und seiner Umwelt. Und mit mehreren Arbeiten, auch sogenannten Aschebildern, erinnerte Uecker an die Zerstörungen und Gräuel der Schoah.

Trotz atheistischer Erziehung und inhumaner Erfahrungen während der Nazi-Zeit habe er dem Religiösen später nicht entfliehen können, sagt Uecker. Und auch nicht entfliehen wollen, denn "die Religion besitzt durch Sprache und Architektur eine große Prägekraft für unsere Kultur", so der im Alter noch vitale Mann.

Bis zum 5. April zeigt die Osnabrücker Kunsthalle Dominikanerkirche die Schau "Handlungen - Werke aus drei Jahrzehnten" mit Arbeiten Ueckers aus drei Jahrzehnten. Auch dort sind, neben wichtigen Schlüsselwerken des Künstlers, die einen guten Einblick in sein Werk bieten, eigens für den sakralen Raum konzipierte Objekte zu sehen. Speziell für die Osnabrücker Kunsthalle entstanden vier Installationen, die die Weltreligionen zum Thema haben. Friedensbotschaften von Judentum, Christentum und Islam sollen da in Beziehung zueinander treten.