Sie sei auch "ein bisschen traurig, dass wir durch eine solche Zeit müssen", sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und blickt dabei vor sich auf den Bildschirm. Auch in Corona-Zeiten will sie ihren Bürgerdialog fortsetzen. Am Donnerstag waren Eltern von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg eingeladen, mit der Kanzlerin über ihre Probleme und besondere Belastungen in der Pandemie zu sprechen. 90 Minuten hatte Merkel sich für die Online-Veranstaltung Zeit genommen.
Probleme im Familienalltag
Sie habe schon sehr viel Ärger in Lebensmittelgeschäften oder Apotheken bekommen, wenn sie ihre beiden Kinder dabei habe, berichtet eine Mutter aus Rheinland-Pfalz. "Aber was soll ich machen, ich bin alleinerziehend und kann meinen zweijährigen Sohn nicht ohne Aufsicht zu Hause lassen", sagt sie. Dazu kämen die Schwierigkeiten mit Homeoffice, das oft mit gleichzeitigem Homeschooling ihres zweiten Kindes einhergehe.
Eine andere Mutter, eine Sozialarbeiterin, erzählt von Familien mit Migrationshintergrund, in denen die Eltern Analphabeten seien. Selbst den Tränen nahe, warnt sie davor, dass die Kinder dort oft von der schulischen Bildung abgehängt seien. Das zu sehen, bereite ihr große Sorgen. Eine andere Mutter kritisiert, dass vor allem Kinder, die älter als zwölf sind, "hinten rüber fallen". Eltern könnten für diese Altersgruppe die Kinderkrankentage nicht mehr in Anspruch nehmen. "Sie werden behandelt wie Erwachsene, sind es aber nicht".
Schulen und Kitas zuerst öffnen - nur wann?
Merkel hört konzentriert zu, fragt nach Vorschlägen, wie die Politik helfen könne. Und verspricht: Wenn Lockerungen möglich seien, "werden Kitas und Schulen als Erstes geöffnet - darauf können Sie sich verlassen". Sie könne aber noch nicht sagen, wann das sein werde. Und sie verrät über die Runden mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten: "Jedes Mal sprechen wir am längsten über die Schulen."
Einige Vorschläge der Beteiligten notiert sie sich: Etwa, dass Alleinerziehende sich den Kinderbonus mit dem anderen Elternteil teilen müssen, auch wenn die Hauptbetreuung nur bei einem Elternteil liegt. Auch den Vorschlag, Gutscheine für Nachhilfeunterricht für die Sommerferien zur Verfügung zu stellen, will sie mit den zuständigen Ministern besprechen. Die Gruppe der über Zwölfjährigen möchte sie ebenfalls zum Thema machen. Ein Vater merkt an, viele Familien hätten ihm bestätigt, dass sie "mental am Ende" seien.
Merkel: "Es tut mir weh, wenn ich Ihr Unglück sehe."
Merkel gibt sich nachdenklich und empathisch: Sie habe sich nie gewünscht, solche Entscheidungen zu treffen, versichert sie. Und: "Es tut mir weh, wenn ich Ihr Unglück sehe." Die Corona-Krise lehre auch Kinder und Jugendliche, dass "unser Leben nicht so berechenbar ist und eine Krise so flächendeckend ist", sagt Merkel. Darauf sei auch der Staat "nicht ausreichend vorbereitet gewesen", räumt sie selbstkritisch ein. Sie hoffe sehr, betont die Kanzlerin, dass "wir nach der Krise nicht alles vergessen, sondern für bestimmte gesellschaftliche Strukturen eine Hochachtung behalten". Das seien die Familien, aber auch die ehrenamtlich Engagierten.
Auch einen Schwenk zur Klimakrise gibt es in der Diskussion, als eine Mutter anmerkt, die geringer werdende Artenvielfalt begünstige das Aufkommen von Viren. So gibt Merkel am Ende des Bürgerdialogs ein Bekenntnis zur Bekämpfung des Klimawandels ab: "Wir müssen alle nachhaltiger leben." Es sei wichtig, dass der Staat nicht zu viele Schulden mache, "wir dürfen aber auch nicht auf Pump der Natur leben", so die Naturwissenschaftlerin. Und fügt an: "Ich vermute mal, dass unsere Kinder da sehr viel mehr darauf achten müssen, als wir es leider getan haben."