Hamburger Weihbischof Jaschke zum Tod von Helmut Schmidt

Eintopf und angeregte Diskussionen

Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist im Alter von 96 Jahren gestorben. Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke traf sich bis zuletzt mit Helmut Schmidt zum Essen und Diskutieren. Bei domradio.de sprach Jaschke von einem langsamen Abschied.

Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke (dpa)
Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke / ( dpa )

domradio.de: Helmut Schmidt ist mit 96 Jahren gestorben. Ein - man möchte fast sagen - biblisches Alter. Und doch sind wir alle sehr, sehr traurig, auch weil Helmut Schmidt bis zuletzt so rüstig war. Irgendwie haben wir ihn schon fast alle für unsterblich gehalten, oder?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Ja, es rührt uns. Er war all die Jahrzehnte hindurch eine Art Kontinuum. Sein Glück ist, dass er so alt geworden ist und auch immer mit einem klaren Urteil begabt war. Er konnte immer ein gutes Wort sagen, unabhängig, souverän und auch ausgleichend. So halten ihn sehr, sehr viele Deutsche für den größten Bundeskanzler, den wir je gehabt haben. Darüber kann man streiten, aber er war sicherlich ein großer, bedeutender und menschlich gewinnender Mann.

domradio.de: Helmut Schmidt gehört zu den beliebtesten Deutschen überhaupt. Was hat seine Popularität ausgemacht?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Seine innere und äußere Unabhängigkeit. Früher, in seinen jungen Jahren hat man gesagt, er habe ein loses Mundwerk und er müsse sich manchmal mehr in seinen Ausdrücken beherrschen. Aber er hat zugepackt. Unvergessen ist in Hamburg sein Einsatz bei der Sturmflut, wo es seinem beherzten Eingreifen zu verdanken war, dass enorm viele Menschen gerettet werden konnten. Da hat er sich nicht an engstirnige Urteile und Kompetenzgerangel gehalten. Er hat gehandelt. Und auch unvergessen ist seine geistige Unabhängigkeit, mit der er die SPD und andere getadelt hat. Genauso konnte er aber auch loben. Helmut Kohl zum Beispiel, den er als einen großen Kanzler bezeichnete. Er war halt nicht zu bestechen.

domradio.de: Helmut Schmidt war Bundeskanzler im vergangenen Jahrhundert und doch hat er sich immer wieder gemeldet und sich auch politisch eingemischt. Er war immer auf der Höhe der Zeit, oder?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Ja. Er hat, glaube ich, jeden Tag so um die sieben Zeitungen gelesen. Er sprach und las perfekt Englisch. Das hat ihm alles keine Schwierigkeiten bereitet. Er stand im Kontakt mit allen Großen der Welt. Es gab eine kleinere Runde um ihn, zu der ich auch gehören durfte. Er hatte schon illustre Gäste wie den ehemaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing, Peter Schulz und die europäischen Granden. Da ist jeder gekommen in sein kleines, einfaches Reihenhaus in Hamburg-Langenhorn und hat bei ihm Bratkartoffeln mit Würstchen oder Eintopf zu Abend gegessen. Wir haben gerne ein Glas Rotwein dazu getrunken und es gab immer ein diszipliniertes Gespräch mit etwa einer Stunde Vortrag und einer anschließenden angeregten Diskussion.

domradio.de: Wird Ihnen das fehlen?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Ja. Wir haben ja langsam schon Abschied nehmen müssen. Er selber hat es zu Beginn dieses Jahres gemerkt, dass er diese Freitagsgesellschaft nicht mehr halten konnte. Das hat ihn einfach überanstrengt. Man merkte, dass es doch langsam dem Ende entgegen ging. Aber wir waren im Sommer noch einmal mit ihm zusammen auf einer großen Rundfahrt durch den Hamburger Hafen. Das war eine Freude, ihn zu sehen, wie stolz er auf seine Heimatstadt war.

domradio.de: Helmut Schmidt war Protestant. Er hat gesagt: "Ich nenne mich einen Christen und bleibe in der Kirche". Das drückt aber auch eine gewisse Ferne zur Amtskirche aus. War er gläubig?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Das muss Gott beurteilen. Ich bin nur ein altgewordener Bischof. Ich kenne so viele Menschen. Wer will deren Glauben attestieren oder abstreiten? Glaube ist eine so persönliche Geschichte. Mir gegenüber war er nie ablehnend, nie aggressiv. Er hat natürlich auch kritische Fragen gestellt, denn Kirche ist auch ein Menschenwerk. Aber ich spürte schon, dass er Wert darauf legte, dass auch so ein frommer Mensch in seiner Runde ist. Für seine Frau Loki galt Ähnliches. Auch was er über Weltethos mit Hans Küng vor langen, langen Jahren zusammen gesagt, das zeigt doch, dass er für die religiöse Dimension empfänglich war. Im hohen Alter hat er dann immer mehr gemeint, dass der Buddhismus wichtige Seiten der Wirklichkeit entdeckt habe. Sicherlich hat er auch damit Recht. Gott wird wissen, wie er ihn jetzt anschaut. Bestimmt mit einem guten Blick und er wird sagen: "Mein Sohn, jetzt bist du an das irdische Ziel gelangt und du wirst deine Frau Loki wiedersehen und viele andere gute und auch weniger gute Menschen."

domradio.de: Und Sie werden Helmut Schmidt sicherlich in Ihr Gebet mit einschließen?

Weihbischof Hans-Jochen Jaschke: Das werde ich tun. Ich werde ganz ausdrücklich für ihn beten.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR