Ein orange-schwarz flatterndes Fahnenmehr erfüllte am 27.Oktober 1991 den Petersplatz: Rund 60.000 Kolpingmitglieder aus der ganzen Welt waren nach Rom gereist, um an der Seligsprechung ihres Gesellenvaters Adolph Kolpings teilzunehmen.
Auch Ottmar Dillenburg war dabei, damals junger Kaplan aus dem Bistum Trier: "Ein unglaubliches Erlebnis", erinnert er sich. Der Zufall hatte ihn nach Rom geführt, denn der Pfarrer und Präses der örtlichen Kolpingfamilie war verhindert gewesen und hatte ihn als Vertreter geschickt. Dass Dillenburg genau 20 Jahre später der Generalpräses des Internationalen Kolpingwerkes und damit der Nachfolger Adolph Kolpings werden würde, ahnte er damals noch nicht. Heute erinnert er sich besonders an den Moment, als das Bild Kolpings an der Loggia von St. Peter enthüllt wurde: "Das war ergreifend", erzählt er, "ich bekomme heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke!"
Mit der Seligsprechung erkannte die Kirche an, wovon hunderttausende Kolpingmitglieder rund um den Globus schon lange überzeugt gewesen waren: Dass ihr Gesellenvater mit seinem Einsatz für Ärmsten ein Vorbild ist und dass seine Botschaften auch nach über 160 Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren haben.
Schuhmacherlehre und Theologiestudium
Adolph Kolping wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen bei Köln geboren. In der beginnenden Industrialisierung erkannte er früh den wirtschaftlichen und sozialen Umbruch seiner Zeit. Als Kind eines Schäfers besuchte er die Volksschule, wurde Schuhmacher. Doch der junge Handwerker war ehrgeizig, machte in Köln das Abitur nach, studierte Theologie und wurde schließlich 1845 zum Priester geweiht.
Als Kaplan wurde er nach Elberfeld geschickt, heute ein Vorort von Wuppertal. In der Textilstadt beobachtete er die Schattenseiten der Industrialisierung: "Der größte Teil der Arbeiter verdient gegenwärtig, auch wenn er Arbeit hat, kaum oft nicht mal das tägliche Brot", notierte er bereits im Jahr 1848.
Auf der Seite der Ärmsten
Kolping prangerte diese Verhältnisse an, ergriff Partei für die Ärmsten: "Er war besessen von einer Liebe zu den Kaputtgemachten, zu den Kleinen", sagt sein Biograph Christian Feldmann. "Er wollte das Christentum aus den Betkammern rausholen!" Erstmals stellte er die kirchliche Trennung zwischen irdischer Not und himmlischem Heil infrage. Geradezu revolutionär sei das damals gewesen, erklärt Feldmann. Und auch gefährlich.
Kolping gründete Gesellenvereine, die der Verarmung entgegenwirken und die Bildung der Handwerker und Arbeiter verbessern sollten. "Die preußischen Behörden haben den jungen Verband bespitzelt und in jedem Treffen von Handwerkern sofort eine Revolution gewittert. Kolping wurde bei der Polizei angezeigt, weil er einen Handwerkerverband gründete", erzählt Feldmann. "Er hatte übrigens auch kaum Rückhalt im christlichen Bürgertum und beim Klerus."
An die Ränder der Gesellschaft
Kolping ging an die Ränder der Gesellschaft, lange bevor Papst Franziskus seine Kirche dazu ermahnte. Seine Botschaft, dass Christen sich den sozialen Herausforderungen und Nöten ihrer Zeit stellen müssen, habe bis heute nicht an Aktualität verloren, so der Generalsekretär es Internationalen Kolpingwerkes, Markus Demele: "Kolping erinnert uns daran, auf die soziale Frage im Hier und Jetzt zu schauen. Es geht darum: Was brauchen die Menschen? Was führt sie zu Gott und was befreit sie aus Armut und Unmündigkeit? Das hat uns Adolph Kolping vorgemacht. Sein Mut und seine Hartnäckigkeit sind für mich ein Vorbild!"
Dieses Vermächtnis würdigte auch Papst Johannes Paul II., als er am 27.Oktober 1991 Adolph Kolping seligsprach. "Kolping versuchte, die Christen aus ihrer Trägheit aufzurütteln und sie an ihre Verantwortung für die Welt zu erinnern", sagte er in seiner Predigt und nannte ihn einen Wegbereiter der Katholischen Soziallehre, die Ende des 19. Jahrhunderts erstmals die Verelendung der Bevölkerung durch die industrielle Revolution und die soziale Frane in den Blick nahm.
Wann kommt die Heiligsprechung?
Darum wird Adolph Kolping heute vor allem in den Ländern des globalen Südens verehrt. Seine Nähe zum Handwerk und sein Engagement für die Benachteiligten machen ihn zu einem Vorbild für Menschen aller Kulturen. Aus den einstigen Gesellenvereinen haben sich die sogenannten Kolpingfamilien entwickelt, heute tragen rund 400.000 Kolpingbrüder und -schwestern in über 60 Ländern seine Ideen weiter.
30 Jahre nach der Seligsprechung wünschen sie sich nichts sehnlicher als eine Heiligsprechung ihres Gesellenvaters. Was noch fehlt, ist ein drittes Wunder, zum Beispiel in Form einer Krankenheilung, die nachweislich auf die Fürsprache Kolpings bei Gott zurückgeht. "Dieses Wunder haben wir noch nicht", stellt der Generalpräses Monsignore Ottmar Dillenburg klar. "Aber wir beten und suchen in der ganzen Welt!"
Alternativ könnte auch der Erzbischof von Köln als Protektor des Internationalen Kolpingwerkes bei Papst Franziskus um die Dispenz eines solchen Wunders bitten; also um einen Verzicht darauf. Mit diesem Ziel hat der Verband eine weltweite Unterschriftenaktion unter dem Titel "Kolping ist mir heilig!" gestartet. Vielleicht – so hoffen die Mitglieder – werden sie gehört und können den Prozess wieder in Gang bringen. Dann würde auch die Kirche offiziell die weltweite Verehrung des Gesellenvaters anerkennen. Für die Entwicklungsprojekte in aller Welt würde das einen enormen Schub bedeuten, da ist sich Dillenburg sicher: "Das wäre ein spirituelles Highlight", sagt er: "Und für das Kolpingwerk eine große Bereicherung!"