domradio.de: Ihre Kampagne für das Verbot von Landminen gibt es seit 25 Jahren - und doch gibt es immer noch so viele Opfer von Landminen. Wie ordnen Sie das ein?
Eva Maria Fischer (Leiterin Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Handicap International): Zunächst muss man sagen: Die Zahl ist grundsätzlich seit Ende der 90er Jahre extrem gesunken. Wir haben Ende der 90er Jahre mit der Kampagne erreicht, dass es ein internationales Verbot von Anti-Personen-Minen gibt. Das wurde jetzt auch von der Mehrzahl der Länder unterzeichnet. Das heißt, die Zahl von Minen, die durch offizielle Armeen verlegt werden, ist deutlich zurückgegangen weltweit. Es hat eine Tabuwirkung eingesetzt. Minen gelten als geächtet. Soweit so gut. Jetzt haben sich aber die Konflikte der letzten Jahre so entwickelt, dass nicht nur offiziell hergestellte und gehandelte Minen, sondern auch improvisierte, selbstgemachte Minen eingesetzt werden. Oft nicht von staatlichen Armeen, sondern von nichtstaatlichen Akteuren in Kriegen. Und die sind natürlich durch so einen Vertrag nicht einzufangen.
domradio.de: Die meisten Länder halten sich aber an das Verbot?
Fischer: Diejenigen, die den Vertrag unterschrieben und ratifiziert haben, fast immer. Es gab ganz, ganz wenige Verstöße, aber in der Regel halten sich die Staaten daran. Und das, was wirklich ein schöner Erfolg für uns ist, ist, dass auch die meisten anderen Staaten, die den Vertrag noch nicht ratifiziert und unterschrieben haben, sich daran halten. Ein gutes Beispiel sind die USA, die sich bis heute weigern, diesem Vertrag beizutreten und die sich trotzdem faktisch an die allermeisten Regelungen des Vertrags halten. Einfach, weil man es sich als Staat nicht leisten kann, wenn die meisten der Partner in der Staatengemeinschaft eine Waffe tabuisiert haben, daran noch festzuhalten.
domradio.de: Das heißt: Auch die USA verlegen keine Landminen mehr?
Fischer: Nicht, dass wir wissen. Es ist auch die Produktion eingestellt worden. Wir reden jetzt aber von Anti-Personen-Minen, weil der Vertrag Anti-Personen-Minen ächtet, nicht aber Anti-Fahrzeug-Minen. Die sind prinzipiell auch noch in Deutschland legal.
domradio.de: Mit großer Sorge schauen sie aber in den nahen Osten, in den Irak, nach Syrien. Und da sind es nicht nur Landminen sondern auch Blindgänger, die viele Opfer fordern. Was kann man denn da tun?
Fischer: Zunächst mal wäre das Wichtigste, dass sich alle kriegsführenden Mächte zumindest an das Völkerrecht halten. Und das besagt ganz klar: Bewohnte Gebiete und Zivilbevölkerung dürfen nicht Ziel von Bombardierungen sein. Und was wir zurzeit im Jemen, im Irak, in Syrien erleben, ist, dass einfach mitten in Städte rein bombardiert wird. Das sind Situationen, wo klar ist, die meisten Opfer sind immer Zivilisten. Und nach jedem dieser Angriffe bleiben zahlreiche Blindgänger übrig und die wirken letztendlich wie Landminen. So ein Blindgänger liegt da und kann dann von unschuldigen Menschen noch lange nach dem Krieg ausgelöst werden.
domradio.de: Was muss passieren - heute am Tag gegen Landminen - was sind Ihre dringendsten Wünsche?
Fischer: Also, es ist sehr wichtig, regelmäßig darauf aufmerksam zu machen, dass Landminen, auch wenn sie verboten sind, immer noch weltweit daliegen. Und es ist ganz, ganz notwendig, dass Geld investiert wird, auch von reichen Staaten wie den europäischen oder den USA, um armen Ländern zu helfen, Minen zu räumen. Das ist das eine: Wir können es erreichen, eine weitgehend minenfreie Welt zu haben, wenn genügend Geld investiert wird. Und das andere ist natürlich: Wir haben dazu auf unserer Website handicap-international.de eine Petition. Wir müssen darauf dringen, dass die diese Bombardierungen von der Zivilbevölkerung in aktuellen Kriegsregionen unterbleiben und dass den Opfern auch da geholfen wird.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.