Hannelore Kraft spricht mit Papst über Flüchtlingsthematik

"Politik und Kirche müssen zusammenarbeiten"

NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war heute zur Privataudienz bei Papst Franziskus. Es ging um die Flüchtlinge in Deutschland. Mit dabei war auch ein geflüchteter Junge aus Afghanistan. Ein bewegendes Treffen, sagt Kraft im domradio.de.

Hannelore Kraft schenkt dem Papst eine Grubenlampe / © Osservatore Romano (KNA)
Hannelore Kraft schenkt dem Papst eine Grubenlampe / © Osservatore Romano ( KNA )

domradio.de: Wie lief das Treffen mit dem Papst? 

Hannelore Kraft (NRW-Ministerpräsidentin): Ich bin immer noch ganz bewegt. Das war ein wirklich faszinierendes Gespräch. Wir haben uns darüber ausgetauscht, was die Flüchtlinge für uns bedeuten. Natürlich geht es dabei nicht nur um die Zahlen, sondern ich konnte auch schildern, wie positiv sich das Engagement in Nordrhein-Westfalen gestaltet. Viele kirchliche Institutionen sind aktiv, aber vor allem gibt es viele Menschen, die mit Herzblut unterwegs sind, um uns bei der wichtigen Aufgabe der Integration  helfen.

domradio.de: Was weiß Franziskus über die Lage hier bei uns in Deutschland und besonders in Nordrhein-Westfalen?

Kraft: Er ist sehr gut darüber informiert, wie die Flüchtlingszahlen in Deutschland aussehen. Franziskus unterstützt unsere Haltung und sagt, dass das eine wichtige Aufgabe ist, die Deutschland hier leistet. Das trifft natürlich auch auf Nordrhein-Westfalen zu. Ich habe ihm ein bisschen berichtet über unsere Erfahrungen mit Integration, die auch von unserer Historie geprägt ist.

Bei uns ist es deswegen vielleicht auch ein bisschen einfacher als in anderen Regionen Deutschlands. Da spielt auch der Bergbau eine wichtige Rolle. Deshalb habe ich ihm auch eine Grubenlampe geschenkt, weil  im Bergbau auch die Verbindung liegt, denn in 2.000 Meter Tiefe musste man zusammenarbeiten, egal ob man die gleiche Sprache sprach oder ob die Kultur die gleiche war, es musste einfach funktionieren. Das ist in unserer DNA in Nordrhein-Westfalen angelegt und so habe ich die Verbindung zum Geschenk dann auch hergestellt.

domradio.de: Begleitet wurden Sie von einem jungen Flüchtling aus Afghanistan, wie ist es dazu gekommen?

Kraft: Ich hatte vor einigen Monaten die Gelegenheit, im Kreis Euskirchen mit Familien zusammenzutreffen, die sich bereit erklärt haben, junge Flüchtlinge aufzunehmen. Ich meine, wir sprechen darüber, dass wir in Nordrhein-Westfalen zurzeit rund 12.500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben. Seine Geschichte hat mich sehr bewegt. Der Junge ist afghanischen Ursprungs und hat im Iran mit seiner Familie gelebt. Mit ihr ist er dann gemeinsam geflüchtet. An der Grenze ist es zu Schüssen gekommen und er ist sozusagen alleine weiter und hat sich dann bis nach Deutschland durchgekämpft. Kurz vor Weihnachten 2015 ist er dann bei uns angekommen.

Der Kreis Euskirchen ist jetzt zum ersten Mal eigentlich mit diesem Thema "unbegleitete minderjährige Flüchtlinge" befasst gewesen.  Aber weil die Zahl eben so groß war, ging es jetzt nicht mehr, dass sich dieser Problematik nur einige Städte widmen. Der Junge hat dann einen öffentlichen Aufruf gemacht, weil man gleich davon überzeugt war: Ein guter Weg wäre, wenn sie in der Familie integriert werden könnten und da haben sich ganz viele Leute gemeldet. Es gab dann Veranstaltungen und inzwischen sind meiner Kenntnis nach  um die 40 minderjährigen Flüchtlinge schon in Familien untergebracht. Einige von ihnen konnte ich damals treffen. Auch diese Familie war dabei, die mich heute begleitet hat. Es war mir ein Anliegen, dass auch nochmal zu zeigen, dass es eben auch mit christlichem Engagement in unserem Land alles gut funktioniert.

domradio.de: Und der junge Mann hat dann auch den Papst getroffen?

Kraft: Er hat den Papst getroffen und er war sehr bewegt. Auch seine deutsche Schwerster, wie er sagt, die war, glaube ich, auch noch ein Stückchen mehr gerührt. 

domradio.de: Sie haben es auch schon betont, dass Kirche und Politik zusammenarbeiten müssen. Ich denke da zum Beispiel an die Aktion von Kardinal Woelki, der im Kölner Dom ein Flüchtlingsboot aufgestellt hat. Wie wichtig ist für Sie als Regierungschefin von Nordrhein-Westfalen, dass die Kirchen da mitmachen?

Kraft: Das ist ganz wichtig, weil Kirche da natürlich eine ganz wichtige Rolle hat und auch gehört wird, wenn es darum geht,  auf diese Themen hinzuweisen, auf das, was dort im Mittelmeer geschieht. Es ist auch von großer Bedeutung, immer wieder dafür zu werben, dass Integration eine wichtige Aufgabe ist, die wir nur gemeinsam schaffen. Das ist für die Politik unabdingbar. Wir brauchen die Akzeptanz der Bevölkerung und dafür ist es mehr als hilfreich, dass die Kirchen uns da auch an dieser Stelle unterstützen.

domradio.de: 2017 steht das Reformationsjahr gemeinsam für die evangelische und katholische Kirche in Deutschland an. Auf die Frage ob Franziskus kommendes Jahr nach Deutschland kommt, hat er letztens noch gesagt: "Ich schließe nichts aus." Haben Sie ihn noch einmal einladen können?  

Kraft: Ich habe ihn eingeladen, aber er hat auch noch nicht fest zugesagt. Ich glaube, dass die Entscheidungen noch nicht gefallen sind, aber er hat damals schon, als er den Karlspreis bekommen hat, zugesagt, dass wenn er nach Deutschland kommt, auch auf jeden Fall nach Aachen kommen will.

Das Gespräch führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR