Hannover erinnert an Atombombenabwurf auf Hiroshima

Bitte um ein hörendes Herz

Der 6. August ist der Hiroshima-Gedenktag. 100.000 Menschen starben vor 78 Jahren, als die USA auf die japanische Stadt eine Atombombe abwarf. Als Partnerstadt erinnert Hannover mit besonderer Verbundenheit an diesen Tag.

Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945 / © epa (dpa)
Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 1945 / © epa ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie waren am Morgen am Mahnmal der Aegidienkirche. Was ist das für ein Mahnmal? Was haben Sie dort gemacht?

Superintendent Karl-Ludwig Schmidt bei der Predigt beim Himmelfahrtsgottesdienst in Hannover / ©  Jens Schulze (epd)
Superintendent Karl-Ludwig Schmidt bei der Predigt beim Himmelfahrtsgottesdienst in Hannover / © Jens Schulze ( epd )

Superintendent Karl-Ludwig Schmidt (Superintendent des evangelisch-lutherischen Stadtverbandes in Hannover): Die Aegidienkirche steht hier mitten in Hannover. Hannover wurde damals von den Bombenabwürfen der Alliierten getroffen und der größte Teil der Innenstadt wurde zerstört. Seit Kriegsende steht diese Kirche weiter als Ruine in der Innenstadt als Mahnmal gegen den Krieg. Sie wird sehr häufig für Gedenkveranstaltungen genutzt, so auch jedes Jahr zum Hiroshima-Gedenktag am 6. August. Für viele Touristen ist er ein Anlaufort. Sie kommen hierhin und fragen sich natürlich, warum hier mitten in Hannover eine Ruine steht.

DOMRADIO.DE: Bei dem Gedenken an diesen Tag hat eine Friedensglocke eine Rolle gespielt. Was hat es mit dieser Glocke auf sich?

Schmidt: Hannover ist seit 1983, also genau seit 40 Jahren Partnerstadt von Hiroshima. Im Jahr 1985 hat die Stadt Hiroshima diese Friedensglocke der Stadt Hannover geschenkt. Die identische Friedensglocke hängt auch in Hiroshima und wird um 8.15 Uhr, also zu der Uhrzeit, als die Atombombe ausgelöst wurde, in Hiroshima dreimal angeschlagen, genauso wie in Hannover, nur zeitversetzt, um 8.15 Uhr deutscher Zeit. Das macht man seit es diese Glocke hier gibt. Seitdem gibt es auch jedes Jahr diese Gedenkveranstaltung.

Die Aegidienkirche in Hannover wurde während des Zweiten Weltkriegs bei Bombenangriffen durch Alliierte getroffen. Sie gilt heute als Mahnmal gegen den Krieg.  / © Joaquin Ossorio Castillo (shutterstock)
Die Aegidienkirche in Hannover wurde während des Zweiten Weltkriegs bei Bombenangriffen durch Alliierte getroffen. Sie gilt heute als Mahnmal gegen den Krieg. / © Joaquin Ossorio Castillo ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: In der Marktkirche findet ein Gedenkgottesdienst statt. Sie halten die Predigt. Was sagt man an so einem Tag in einer Zeit, in der der Krieg gegen die Ukraine die atomare Gefahr wieder viel stärker ins Bewusstsein gerückt hat?

Schmidt: Ich setze sehr stark bei dem an, was uns durch den Predigttext für diesen Sonntag vorgegeben ist. Wir sollen darauf achten, ein hörendes Herz zu haben, heißt es da von König Salomo. Er wünscht sich dieses hörende Herz von Gott. Ich setze da an, dass wir Menschen untereinander im Kleinen und im Alltäglichen den Weg des Friedens suchen müssen. Wir müssen auch lernen, mehr auf andere Menschen zu hören.

Superintendent Karl-Ludwig Schmidt

"Präsident Putin hat ein steinernes Herz und ist nicht in der Lage zu hören."

Ein hörendes Herz zu haben, bedeutet für mich eben auch die Gabe zu haben, von sich abzusehen und auf das zu schauen, was in der Welt da ist. Da kann, so glaube ich, jeder Mensch in den kleinen Schritten, die ihm möglich sind, auch dazu beitragen, dass ein friedliches Miteinander gebar wird. Das ist mein Ansatzpunkt. Das muss natürlich auch im Großen immer wieder wachgehalten werden, dass das auch ein Gebet für die Mächtigen ist, dass sie im Grunde dieses offene Herz behalten. Jemand wie zum Beispiel Präsident Putin hat ein steinernes Herz und ist nicht in der Lage zu hören. So behält die Logik des Krieges und die Aufstachelung dieser Gewalt die Oberhand. Das darf nicht sein.

DOMRADIO.DE: Das Gebet um Frieden steht am Hiroshimatag in Hannover weiter im Mittelpunkt. Was findet heute noch statt?

Schmidt: Sehr eindrücklich war bei dieser Gedenkveranstaltung, dass eine große Jugenddelegation aus Hiroshima hier gewesen ist. In dieser Ruine der Aegidienkirche gibt es am Nachmittag halbstündlich Teezeremonien. Es wird Meditationen geben und wir schließen diesen Tag um 17.30 Uhr ab mit einem multireligiösen Friedensgebet, zu dem sich neun Religionen hier aus Hannover angemeldet haben.

Spät am Abend wird noch eine Lichterzeremonie stattfinden, auf dem Maschteich, wo kleine Lampions auf das Wasser gesetzt werden; auch eine sehr eindrückliche Friedensmahnung.

DOMRADIO.DE: Durch die Erinnerung an das Entsetzen von damals und die Erkenntnis, dass Menschen heute wieder vor Atomwaffen zittern müssen, kommt bei vielen sicher wieder die alte Frage auf: Wie kann Gott so etwas zulassen?

Superintendent Karl-Ludwig Schmidt

"Ich finde es schwierig, Gott sozusagen für alle Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen."

Schmidt: Ich denke, wir Menschen leben in einer großen Autonomie, die uns von Gott gegeben ist und auch in einer großen Verantwortung. Ich finde es schwierig, Gott sozusagen für alle Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen. Diese große Verantwortung ist uns gegeben als Mensch, Gott hat ein menschliches Angesicht.

Wir sind aufgefordert, gerade als Christinnen und Christen uns für den Frieden einzusetzen und alles dafür zu tun, dass dies möglich wird. Wir können meines Erachtens nicht die Verantwortung auf Gott schieben, sondern müssen bei uns ansetzen, bei uns Menschen und Wege des Friedens suchen.

Das Interview führte Hilde Regeniter. 

Die Stadt Hiroshima - Atombombenziel und Friedenssymbol

Hiroshima in Japan ist ein weltweites Symbol für Krieg - und für Frieden. Um Japan im Zweiten Weltkrieg zur Kapitulation zu zwingen, hatte die US-Luftwaffe am 6. August 1945 über der Stadt eine Atombombe abgeworfen. Schätzungsweise 70 000 Bewohner starben sofort, rund 70 000 bis 80 000 in den folgenden Monaten. Auch Jahrzehnte nach der Katastrophe leiden und sterben zahlreiche Menschen an den Spätfolgen der atomaren Strahlung.

Die Atombombenkuppel in Hiroshima / © Eugene Hoshiko (dpa)
Die Atombombenkuppel in Hiroshima / © Eugene Hoshiko ( dpa )
Quelle:
DR