Haseloff rät deutschen Katholiken zu weltkirchlichem Blick

"Nie von Rom abwenden"

Im Beisein von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident wurde an diesem Montag in Magdeburg ein neues Prämonstratenserkloster eingeweiht. Anschließend nahm Reiner Haseloff im Interview die deutschen Katholiken ins Gebet. Mit eindeutigem Rat.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ist fest im katholischen Glauben verankert. / © Jan Woitas (dpa)
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff ist fest im katholischen Glauben verankert. / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Was bedeutet dieses neue Prämonstratenserkloster für Ihr Bundesland?

Ministerpräsident Reiner Haseloff (r.) übergibt die Reliquie des Heiligen Norbert an Pater Clemens Dölken bei einem Gottesdienst in der Kirche Sankt Petri in Magdeburg / © Gregor Krumpholz (KNA)
Ministerpräsident Reiner Haseloff (r.) übergibt die Reliquie des Heiligen Norbert an Pater Clemens Dölken bei einem Gottesdienst in der Kirche Sankt Petri in Magdeburg / © Gregor Krumpholz ( KNA )

Reiner Haseloff (Ministerpräsident von Sachen-Anhalt): Wir sind froh, dass dieses Projekt, das sich die Prämonstratenser schon seit vielen Jahren auf die Fahnen geschrieben haben, jetzt Realität ist. Sie haben, so wie der Heilige Norbert, in der Landes- und Bistumsgeschichte große Spuren hinterlassen.

DOMRADIO.DE: Historisch hat der Heilige Norbert eine große Bedeutung, aber heutzutage sind bei Ihnen nur drei bis vier Prozent der Bevölkerung katholisch. Gibt es für dieses Kloster Akzeptanz?

Haseloff: Dieses Areal war seit dem Zweiten Weltkrieg faktisch nicht bewohnbar. Das war ein Schandfleck, der jetzt städtebaulich wieder aufgewertet wurde. Wenn man so will, wurde da gerade ein Schandfleck städtebaulich wieder aufgewertet.

Reiner Haseloff

"Ein Gewinn für unsere Landeshauptstadt."

Dort sind auch evangelische Gemeinden und Studentengemeinden präsent. Das ist ein offenes Begegnungszentrum, zu dem die katholische Komponente jetzt noch hinzukommt. Deswegen heißt dieses Konzept auch "Ökumenische Höfe". Die liegen in der Nähe des Landtags und des Magdeburger Doms.

Beim Gottesdienst haben wir gesehen, wie Magdeburg dadurch auch international aufgewertet wird. Es waren Personen aus allen Erdteilen angereist. Es ist insgesamt also ein Gewinn für unsere Landeshauptstadt.

DOMRADIO.DE: Was hat die katholische Kirche dem säkularen Osten überhaupt zu bieten?

Haseloff: Wir haben vielleicht noch zehn bis zwölf Prozent evangelische Christen und vielleicht noch drei Prozent katholische. Säkular bedeutet hier also, dass 85 Prozent keine kirchliche Bindung mehr haben.

Trotzdem lohnt sich ein Blick in unsere Landesverfassung. Dort steht das gleiche, wie in unserem Grundgesetz. Sinngemäß beginnt sie mit "Verantwortung gegenüber Gott und den Menschen". Die christlich-jüdischen Wurzeln Deutschlands sind also auch für uns in Sachsen-Anhalt die Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Einweihung des Neubaus des Prämonstratenserklosters in Magdeburg / © Gregor Krumpholz (KNA)
Einweihung des Neubaus des Prämonstratenserklosters in Magdeburg / © Gregor Krumpholz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie sind selbst bekennender Katholik und in Sachsen-Anhalt aufgewachsen. War das schwierig, einer Minderheit anzugehören und dabei zu bleiben?

Reiner Haseloff

"Jeder weiß, wer ich bin, wo ich hingehöre und woran ich mich persönlich orientiere."

Haseloff: Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin jetzt über 20 Jahre in der Landespolitik und jeder weiß, wer ich bin, wo ich hingehöre und woran ich mich persönlich orientiere. Das heißt, alle Wählerinnen und Wähler, die in den letzten Landtagswahlen ihre Stimme abgegeben haben, wussten, für wen sie sie abgeben. Ich stand jedes Mal auf der Liste auf Platz Nummer eins.

Das Wahlergebnis zeigt, dass die Menschen durchaus Personen akzeptieren, die ein klares Wertefundament für sich definiert haben und klare Zeichen geben, dass sie für alle da sind.

DOMRADIO.DE: Wir erleben gerade eine massive Kirchenkrise, besonders in der katholischen Kirche. Haben Sie schon mal mit dem Gedanken gespielt auszutreten?

Haseloff: Dieser Prozess verlief bei uns schon zu DDR-Zeiten. In dieser atheistischen Gesellschaft war die Kirchenmitgliedschaft von Nachteil. Es wurde sogar ein offensiver Kampf gegen Kirche und Christentum ausgetragen. Derjenige, der bei uns im Osten noch evangelisch ist, katholisch oder einer anderen Religion angehört, hat sich aktiv für die Religionszugehörigkeit entschieden. Für den ist das Thema durch.

Ich kann keine Ratschläge in Richtung Westen geben, aber man sollte immer zwischen problematischen Strukturen und Fehlern unterscheiden, die von Menschen gemacht werden - auch wenn es sehr schwere Fehler sind - und dem, was der eigentliche Glaube ist.

DOMRADIO.DE: Am 3. Oktober feiern Sie in Hamburg den Tag der Deutschen Einheit. Gehört der konfessionelle Austausch auch dazu, wenn zusammen wächst, was zusammengehört?

Reiner Haseloff

"Die Christen im Osten haben nur deswegen überlebt, weil es eine ganz starke Ökumene gegeben hat."

Haseloff: Die Christen im Osten haben nur deswegen überlebt, weil es eine ganz starke Ökumene gegeben hat. Die friedliche Revolution ist stark durch die ökumenischen Gruppen geprägt. Die evangelische Kirche war immer die stärkste Kraft, aber insgesamt sind wir schon zu DDR Zeiten zusammengewachsen.

Deswegen waren auch, gerade bei der Eröffnung beim Festgottesdienst alle Gemeinden aus dem Umfeld präsent. Es gibt eine historische Konzentration der Kirchen an diesem Fleck. Das Kloster ist jetzt das arondierende Element und deshalb wird es jetzt auch ökumenisch weitergehen.

Und es ist klar: In dem Moment, in dem die eine Gesellschaft immer weiter säkularisiert unterwegs ist, wird die Ökumene das eigentliche Thema sein, was vorgehalten wird und uns vorgehalten werden muss.

DOMRADIO.DE: Dann kann man im Westen viel aus dem lernen, was sie im Osten schon erlebt haben, wo sie zu einer Minderheit geworden sind und sie die Ökumene über Wasser gehalten hat?

Reiner Haseloff

"Wir sind aber ein internationales Element, das an Rom gebunden ist."

Haseloff: Das ist richtig. Ohne die Ökumene wäre es nicht gegangen. Das fing schon damit an, dass wir im ländlichen Raum oftmals an die evangelischen Kirchen gebunden waren, wenn wir dort Gottesdienste feiern wollten. Wechselseitig hat man sich unterstützt. Man hatte den gleichen politischen und ideologischen Gegner, der die Kirchen abschaffen wollte.

Zeiten lassen sich nie miteinander vergleichen, das ist ganz klar. Aber solche Umbruchsituationen, wie sie jetzt der Westen und der Süden erleben, dienen auch dazu, bestimmte Sachen klarzustellen und zu unterscheiden. Weswegen bin ich eigentlich Christ? Da wird es sicherlich noch mal eine Filterung zwischen denen geben, die sich bewusst für den Glauben entscheiden und denen, die einen anderen Weg gehen.

Dieses Volkschristliche und dieses Volkskirchentum, die Zeit, in denen eine Region mit einer Konfession fest verbunden ist, ist eigentlich schon seit dem Zweiten Weltkrieg vorbei, als die großen Flüchtlingswellen die Konfessionen vermischt hat. Das wird jetzt in Mitteleuropa auf einen Höhepunkt zugehen und dann - die Synode in Rom läuft ja gerade an - muss es Strukturen geben, die keine neue Nationalkirche herbeiführen darf.

Die katholische Kirche muss immer auch weltweit, im Kontext und im Konsens gesehen werden. Ansonsten könnte man zur evangelischen Kirche und zu landeskirchlich organisierten Strukturen übertreten. Wir sind aber ein internationales Element, das an Rom gebunden ist.

Deswegen ist mein Rat, dass man sich nie von Rom abwendet, denn Rom hat uns zu DDR Zeiten gehalten, auch als Katholiken. Hätten wir die Bezugnahme zu Rom nicht gehabt, die Unterstützung nicht gehabt und auch die innere geistliche Bindung nicht gehabt als die wenigen Prozente, die wir waren, dann wären wir nicht mehr da.

Das Interview führte Johannes Schröer.

Quelle:
DR