Haus der Geschichte arbeitet an neuer Zeitzeugen-Datenbank

Damit die Quelle nicht versiegt

Die Erinnerungen an den Holocaust, das Leben im geteilten Deutschland oder die Wiedervereinigung sollen nicht verloren gehen. Deshalb gibt es nun am Haus der Geschichte in Bonn ein großes Zeitzeugen-Projekt.

Autor/in:
Leticia Witte
Eingang zur Dauerausstellung im Haus der Geschichte in Bonn / © Axel Thünker (Stiftung Haus der Geschichte)

Zweiter Weltkrieg, Holocaust, Gründung von BRD und DDR, Wiedervereinigung: Die vergangenen Jahrzehnte deutscher Geschichte sind eine Fundgrube für Historiker. Von den Ereignissen legen nicht nur Objekte und Dokumente Zeugnis ab, sondern auch Menschen. Doch die Zahl derjenigen, die noch selbst von weit zurückliegenden Ereignissen wie den Holocaust berichten können, geht bekanntlich stetig zurück.

In zahlreichen Archiven und Museen lagern Zeitzeugen-Interviews in Bild und Ton. Sie sind teilweise in so schlechtem Zustand, dass sie dringend aufgearbeitet werden müssen. Etwa, wenn sie auf Tonbändern oder Super-8-Filmen gespeichert sind.

Tausende Zeitzeugen-Interviews gesichtet

Auf Initiative von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) kümmert sich die Stiftung Haus der Geschichte in Bonn seit Jahresanfang um diese historischen Quellen. Unter Federführung des Museums für Zeitgeschichte in der ehemaligen Hauptstadt der Bundesrepublik sollen Tausende Zeitzeugen-Interviews gesichtet, aufgearbeitet und am Ende in einer zentralen Datenbank der Öffentlichkeit und Forschung zugänglich gemacht werden. "Es ist ein Stück weit Grundlagenarbeit", beschreibt Stiftungs-Präsident Hans Walter Hütter die Aufgabe.

Es geht um aufgezeichnete Gespräche zum Beispiel mit Holocaust- Überlebenden, prägenden Politikern in Bonn und Berlin, Stasi-Opfern, Sportlern, Kirchenvertretern - und zahlreichen anderen Menschen, die Bombennächte im Zweiten Weltkrieg oder die Euphorie am Tag des Mauerfalls erlebt haben. Oder den vom RAF-Terror geprägten "Deutschen Herbst" 1977, der sich in diesem Jahr zum 40. Mal jährt.

"Für die kommenden Generationen nutzbar"

Die Bestände gehören Hütters Angaben zufolge knapp 50 von Grütters geförderten und finanzierten Einrichtungen. Darunter seien vor allem die NS-Gedenkstätten, SED-Erinnerungsorte, die Politikerstiftungen und die großen Geschichtsmuseen des Bundes. An der Datenbank wird in enger Kooperation mit den Einrichtungen gearbeitet, die digitale Langzeit-Archivierung beim Bundesarchiv in Koblenz angesiedelt sein, wie Hütter berichtet.

Grütters sprach kürzlich in einem Interview des katholischen Portals kirche-und-leben.de von einer neuen Anlaufstelle für die Zeitzeugenarbeit: "Mit dem Projekt sollen zum Beispiel Interviews von Zeitzeugen auch für die kommenden Generationen nutzbar bleiben."

Erhalten, digitalisieren und erschließen

Viele kleinere Einrichtungen hätten oft nicht die personellen und finanziellen Möglichkeiten, vorhandene Interviews unter sachgerechten konservatorischen Bedingungen zu lagern, so Hütter. "Wir wollen daran mitwirken, diese Bestände zu erhalten, zu digitalisieren und zu erschließen." Wie viele Interviews am Ende genau in der Datenbank stehen werden, könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber: "Wir reden wohl von mehr als 10.000." In die geplante Datenbank soll auch das eigene Interviewprojekt des Hauses der Geschichte zur Historie der Bundesrepublik einfließen.

Darunter sind Hütter zufolge Gespräche mit Altkanzler Helmut Schmidt, den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Roman Herzog, dem Fußballidol Uwe Seeler und dem ehemaligen Präsidenten des europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering.

"Gedächtnis der Nation"

Darin eingearbeitet werden sollen darüber hinaus mehr als 1.000 Interviews zur deutschen Geschichte des Vereins "Gedächtnis der Nation", der sich in Liquidation befindet. Gegründet wurde dieser Verein vor mehr als zehn Jahren von den Journalisten Guido Knopp und Hans-Ulrich Jörges. "Diese Interviews sind auf hohem digitalen Standard", betont Hütter.

Das auf mehrere Jahre angelegte Projekt am Haus der Geschichte solle auch mögliche thematische Lücken - oder auch Doppelungen - offenbaren, erklärt Hütter. Für dieses Jahr stünden dafür 500.000 Euro des Bundes und vier Mitarbeiter zur Verfügung. Geplant sei, "inhaltliche, methodische, wissenschaftliche und technische Standards" zu entwickeln. Eine "Servicestelle" solle es am Ende werden. Doch zunächst will Hütter auf einer Tagung im Herbst einen ersten Überblick über die Arbeiten vorstellen. Für ihn steht fest: "Zeitzeugenmaterial ist Quellenmaterial allererster Güte."


Quelle:
KNA