Haus der Geschichte zeigt "Skandale in Deutschland nach 1945"

"Wo sie fehlen, ist alles faul"

Die ältesten Affären stammen aus den 1950er Jahren, die neuesten wie der Mannesmann-Skandal aus diesem Jahrtausend: 20 "Skandale in Deutschland nach 1945" sind seit Mittwoch in historischen Bild- und Tonaufnahmen, Presseausschnitten und andere Dokumenten im Bonner Haus der Geschichte ausgestellt.

Autor/in:
Johannes Schönwälder
 (DR)

Die Schau beginnt mit dem Film "Die Sünderin" von 1951. Neben Filmausschnitten, die auch die "nackten Tatsachen" zeigen, sind Kritiken besonders aus katholischen Kreisen zu sehen. Diese wandten sich auch gegen die Darstellung von Suizid und Sterbehilfe. Höhepunkte der Boykottaufrufe bildeten Hirten- und Mahnworte der Bischöfe. In vielen Städten kam es vor Kinos zu Tumulten. Rufe nach Zensur wurden laut. Das Bundesverwaltungsgericht aber bestätigte 1954 die Freiheit der Kunstgattung Film.

Auch beim Skandal um das Theaterstück "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth 1963 spielte die katholische Kirche eine wesentliche Rolle. Der Autor hatte dem Vatikan wegen des "öffentlichen Schweigens" von Papst Pius XII. eine Mitverantwortung am Holocaust vorgeworfen. Die Kirche sprach von Geschichtsverfälschung und dem Versuch, den Ruf des Papstes "mit verlogener Infamie und Agitation zu besudeln".

"Skandale verändern die Gesellschaft"
Die Schau solle das gesellschaftliche Wertesystem, die Reaktionsweise der Öffentlichkeit und die Rolle der Medien beleuchten, sagte Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche. Sie zeige, dass Skandale etwas veränderten in der Gesellschaft. Die öffentliche Debatte, die mit jedem Skandal einhergehe, führe zu einer Neuformulierung von Normen. Weil es diese Öffentlichkeit in der diktatorischen DDR nicht gegeben habe, fehle es auch an Beispielen von dort. Einzige Ausnahme bilden die Wahlfälschungen bei der Kommunalwahl 1989, als die Regimekritik schon eine starke Stimme hatte. "Wo Skandale sind, ist vielleicht einiges faul", so Reiche. "Wo sie fehlen, aber alles."

Die zentrale Rolle der Medien
In der Bundesrepublik, so zeigt die Ausstellung, spielten die Medien immer wieder eine zentrale Rolle bei Skandalen. Sie deckten sie auf, verbreiteten sie oder waren auch ihr Gegenstand. So führte die "Spiegel"-Affäre 1962 zum Rücktritt von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) und zur Stärkung der Medien als "vierte Gewalt" im Staat. Der Neue-Heimat-Skandal von 1982 kam durch die Presse ins Rollen. Die gefälschten "Hitler-Tagebücher" brachten das Magazin "stern" in Bedrängnis. Und auch beim Gladbecker Geiseldrama 1988 spielte die Presse ein unrühmliche Rolle, als sie den Gangstern mittels Interviews und Live-Bildern eine Plattform gaben. Ohne alle diese Mediendokumente wäre die Schau gar nicht möglich gewesen.

Neue Details und ihre Folgen dokumentiert
In einem Labyrinth aus Räumen und Stellwänden durchläuft der Besucher die einzelnen Stationen. Die meisten Skandale dürften allgemein bekannt sein. Neu sind Details und lehrreich ihre aufgezeigten Folgen. "Diese Ausstellung muss man sich erarbeiten", so der Präsident der Stiftung des Hauses, Hans Walter Hütter. Das gilt etwa für die Affäre um die Rede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger im November 1988 zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 50 Jahre zuvor. Wer will, kann das Originalmanuskript studieren.

In anderen Fällen reichen einige Wortfetzen, um die ganze Geschichte eines Skandals im Kopf wieder ablaufen zu lassen. So beim "stern"-Titel mit dem toten Uwe Barschel in der Badewanne 1987. Die "Amigo"-Affäre um Bayerns Ministerpräsident Max Streibl (CSU) von 1993 bedarf eher einer Auffrischung. Der Skandal um die hohen Managerabfindungen bei Mannesmann nach der Übernahme durch Vodafone im Jahr 2000 dagegen wirkt bis heute nach. Der Protest der "kleinen Leute" habe zu einer neuen Wertevorstellung in Deutschland geführt, ist Reiche überzeugt. Denn dafür brauche jede freie Gesellschaft ihre Skandale. "Sie haben einen reinigenden Effekt".

Die Ausstellung ist bis zum 24. März nächsten Jahres zu sehen und ist dienstags bis freitags von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.