Heftige Proteste gegen die Doku-Soap "Erwachsen auf Probe"

"Sperrt die RTL-Voyeure in einen Käfig"

Die Reaktionen sind heftig: "Sperrt die RTL-Voyeure in einen Käfig!", "Kinder sind keine Versuchskaninchen!" oder "Kinder sollen vor gesundheitsgefährdenden TV-Experimenten geschützt werden". Über die geplante RTL-Doku-Soap "Erwachsen auf Probe", die am 3. Juni starten soll, entrüsten sich unter anderem die Bundestags-Kinderkommission, Hebammen, Medienexperten, Kinderschutz-Verbände und Psychotherapeuten.

Autor/in:
Agathe Lukassek
 (DR)

RTL hält bisher an seinen Plänen fest, lädt aber die Kritiker für kommenden Freitag zu einer Vorab-Ausstrahlung mit anschließender Diskussion ein.

In der neuen Doku-Soap werden Säuglinge und Kinder von ihren Eltern getrennt und für vier Tage der Obhut von Heranwachsenden überlassen. Vier junge Paare probierten bei den bereits aufgezeichneten Folgen das Eltern-Sein aus. Dazu gehörten Geldverdienen, Zusammenleben, Haushaltsführung - und eben ein Baby. Nach einigen Tagen mit den Säuglingen kümmerten sich die Teenagerpärchen um Klein- und Schulkinder und zuletzt um Jugendliche. Das gesamte Experiment zog sich über einen Monat hin.

Die Kritiker an dem TV-Format sorgen sich besonders um die sieben bis 14 Monate alten Säuglinge. Sie seien in einer hochsensiblen Phase und reagierten entwicklungsbedingt mit Angst und Abwehr auf fremde Personen, warnt etwa der Deutsche Kinderschutzbund. RTL nehme eine Bindungsstörung billigend in Kauf, um eine möglichst große Zuschauerzahl und damit hohe Werbeeinnahmen zu erzielen.

Ähnlich äußert sich die Bundespsychotherapeutenkammer: Ein Baby brauche seine Eltern «tagtäglich wie seine Nahrung». Eine zu lange Trennung könne für ein kleines Kind schnell zu einem traumatischen Erlebnis werden, die Eltern riskierten so spätere psychische Erkrankungen oder Depressionen des Kindes. Die Länder sollten prüfen, «ob die geltenden Mediengesetze ausreichen, um Kinder vor gesundheitsgefährdeten TV-Experimenten zu schützen».

«Babys sind keine Faktoren der Fernsehunterhaltung» betont die Landesanstalt für Medien NRW und appelliert an RTL, auf Programme mit unkalkulierbaren Risiken für die Mitwirkenden zu verzichten.

Auch Ärzte, Politiker und die «Deutsche Liga für das Kind» wenden sich entschieden gegen das Projekt. Der Schwangeren-Beratungsverein «Donum Vitae» mutmaßt, dass die Eltern «gekauft» worden seien. Die Vorsitzende Rita Waschbüsch: «Sperrt endlich die RTL-Voyeure in einen Käfig und lasst sie nie mehr Sendungen machen!»

Die Kinderkommission des Bundestags verlangt, Kinder nicht als Versuchskaninchen zu benutzen, um Jugendlichen den Start ins Familienleben zu zeigen.

Trotz der harschen Reaktionen verteidigt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger die Doku-Soap: «Es ist unbestritten, dass in Deutschland die Zahl der Teenager-Mütter und der Schwangerschaften bei minderjährigen Mädchen kontinuierlich zunimmt und dass viele Jugendliche leider nicht reif für eine Familiengründung sind.»

Der Sender sehe in dem Projekt eine soziale Reifeprüfung für Jugendliche. Zudem hätten während der Aufzeichnungen für alle Fälle Erzieherinnen, eine Kinderpsychologin und eine Ärztin bereitgestanden. Die leiblichen Eltern hätten ihre Babys über Kameras beobachten, hinter dem Kameramann stehen oder das Experiment abbrechen können.

Darüber hinaus verweist RTL darauf, dass das Sendeformat von BBC adaptiert sei. Dort liefe die Reihe demnächst in der dritten Staffel und werde von Lehrern sogar als Schulungsmaterial benutzt.

Auch in Belgien ist seit Anfang Mai eine ähnliche Sendung mit dem Namen «Vorsorgen für später» zu sehen. Vier Teenagerpaare müssen dort in zwei Wochen nach den verschiedenen Kinderstufen auch ein Seniorenpaar betreuen. In den Niederlanden gab es die Sendung bereits 2008 unter dem Namen «Baby zu mieten». Sie hatte dort - wie in Deutschland - für viel Unmut gesorgt.