Heiliges Jahr: Der Begriff der Barmherzigkeit

Fremde aufnehmen und Hungrige speisen

Papst Franziskus hat das Heilige Jahr mit dem Thema Barmherzigkeit ausgerufen. Damit rückt ein altertümlich klingender Begriff in den Fokus. In Zeiten von Flüchtlingskrisen und Terror scheint er aber sehr aktuell.

Autor/in:
Angelika Prauß
Hospiz Haus Hörn in Aachen (KNA)
Hospiz Haus Hörn in Aachen / ( KNA )

Barmherzigkeit - für Papst Franziskus ist es DER Begriff für die Liebe Gottes, der Schlüsselbegriff seines Pontifikates und der Kern des Evangeliums schlechthin. "Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt; es macht sie weniger kalt und mehr gerecht", erklärte er bereits bei seiner ersten Ansprache als Papst am 17. März 2013. Wie wichtig ihm diese zutiefst christliche Haltung ist, zeigt auch, dass er nun ein Heiliges Jahr ausgerufen hat, das diesem Thema gewidmet ist. Das sogenannte Jubiläum der Barmherzigkeit beginnt am 8. Dezember 2015 und endet am 20. November 2016.

Barmherzigkeit - ein sperriger und im Alltag etwas überholt klingender Begriff. Das Lexikon für Theologie und Kirche beschreibt ihn als "freie und freigiebige, nicht geschuldete, liebend-vergebende Hinwendung Gottes zum Geschöpf". Sie sei die "sichtbare Ausprägung seiner wesenhaften Liebe", die sich in der "Zuwendung Gottes zu den Elenden und Armen" zeige.

Barmherzigkeit richtet sich an alle Menschen

Barmherzigkeit ist ein Leitbegriff des Christentums, der das zentrale Wesen Gottes beschreibt. Im Alten wie im Neuen Testament findet er sich an vielen Stellen. "So hoch wie der Himmel über der Erde ist, reicht seine Barmherzigkeit", heißt es etwa in Psalm 103. Jesus erzählt zahlreiche Gleichnisse, die die Barmherzigkeit Gottes verdeutlichen - allen voran die Geschichte des barmherzigen Samariters (Lk 10,25-37). Und auch die Bergpredigt widmet sich dem Thema, "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen" (Mt 5,7).

Wie die Barmherzigkeit konkret gelebt werden kann, das formuliert die christliche Tradition etwa in den sogenannten sieben Werken der leiblichen Barmherzigkeit. Dazu gehört Hungrige zu speisen, Dürstenden zu trinken zu geben, Nackte zu bekleiden, Fremde aufzunehmen, Kranke und Gefangene zu besuchen sowie Tote zu begraben. Die Barmherzigkeit richtet sich dabei an alle Menschen - ungeachtet ihrer Religion und Herkunft; diese vorbehaltlose Unterstützung ist es auch, die Menschen am Christentum schätzen - sei es in Form von Lebensmitteltafeln der Caritas, in der Obdachlosenhilfe oder in Hospizen.

Franziskus knüpft an seinen Vorgänger Johannes Paul II. an

Die Idee der göttlichen Barmherzigkeit hat Menschen immer schon angesprochen und inspiriert - zu Taten konkreter Nächstenliebe, aber auch spirituell. Die polnische Ordensfrau Faustyna Kowalska (1905-1938) etwa fühlte sich auserwählt, den Menschen die Barmherzigkeit mit einem ganz konkreten Bild zu vermitteln: Darauf zu sehen ist Jesus, aus dessen Herz sich die Barmherzigkeit strahlenförmig ausgießt - als Andachtsbild ist es heute millionenfach verbreitet. Kowalska beeindruckte auch den polnischen Erzbischof Karol Wojtyla, in dessen Bistum Faustyna gestorben war und verehrt wurde.

Als Johannes Paul II. widmete er seine zweite Enzyklika "Dives in misericordia" (1980) der göttlichen Barmherzigkeit und griff darin das Denken der Ordensfrau auf. In diesem Lehrschreiben entfaltete der noch junge Papst den zentralen Gedanken, dass Gottes barmherzige Liebe die allumfassende Antwort auf die Sünde und auf das Böse in der Welt ist und dass es der Kirche anvertraut sei, dieses Geheimnis in der Welt von heute weiterzugeben. Gegen Ende seines Pontifikats erklärte er den Sonntag nach Ostern, den "Weißen Sonntag", zum "Sonntag der Barmherzigkeit". Papst Franziskus knüpft mit dem "Jubiläum der Barmherzigkeit" somit auch an seinen Amtsvorgänger an.

In seinen Ansprachen und auf Reisen wirbt der Papst unermüdlich für einen barmherzigen Umgang mit Notleidenden - sei es mit Bootsflüchtlingen aus Afrika, mit vereinsamten Senioren oder behinderten Menschen, mit Sündern und Gescheiterten. Profis von der Caritas, Mitglieder von Krankenpflegeorden wie die Barmherzigen Brüder und Schwestern, aber auch viele "einfache" Christen engagieren sich in aller Welt schon heute, um ihre Mitmenschen genau diese Barmherzigkeit spüren zu lassen.


Quelle:
KNA