Herodes ist voller Widersprüche

Eine schillernde Persönlichkeit

König Herodes war schon zu seiner Zeit gut für Schlagzeilen. Über kaum einen Klientelherrscher der Römer gibt es so viele Informationen. Bis heute beschäftigt er Archäologen und Historiker: Herodes Superstar.

Autor/in:
Christoph Arens
Das Gemälde "Strafpredigt Johannes des Täufers vor Herodes" (1856) von Giovanni Fattori / © akg-images GmbH (epd)
Das Gemälde "Strafpredigt Johannes des Täufers vor Herodes" (1856) von Giovanni Fattori / © akg-images GmbH ( epd )

Brutaler Kindermörder von Bethlehem? Idi Amin der Antike? Die Bibel stellt König Herodes als blutrünstigen Psychopathen dar. Die neuere historische Forschung zeichnet dagegen ein anderes Bild: Wer sich 40 Jahre in unruhigen Zeiten an der Macht halten kann, zudem Städte, luxuriöse Paläste und atemberaubende Tempel baut, diplomatische Drahtseilakte besteht und enge Kontakte zu Kaiser Augustus hat - der muss schon ein Herrscher mit außergewöhnlichen Energien und Qualitäten gewesen sein.

König Herodes hat Konjunktur. Zahlreiche Biografien und Sammelbände sind in den vergangenen Jahren erschienen. Die Herodes-Forschung ist in Bewegung geraten - auch durch neue Ausgrabungen an seinen Bauten etwa in Caesarea, Herodium, Jericho oder Jerusalem. Über keinen anderen Herrscher des hellenistischen Ostens gebe es mehr Quellen, schreibt Jürgen Zangenberg, Professor für Geschichte und Kultur des Antiken Judentums und Frühen Christentums an der niederländischen Universität Leiden, in einem in diesem Jahr bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienenen Sammelband "Herodes. König von Judäa".

Paradigmatischen Gegenspieler der Herrschaft Jesu

Dabei sind sich die Historiker ziemlich sicher, dass der Kindermord von Bethlehem Legende ist, weil er in keiner anderen Quelle genannt wird. Der Evangelist Matthäus zeichne Herodes als "paradigmatischen Gegenspieler der Herrschaft Jesu", schreibt der in Fribourg lehrende Experte für das Neue Testament, Thomas Schumacher. Der Kindermord und die Rettung Jesu verwiesen zudem auf die im Alten Testament erzählte Tötung der männlichen Nachkommen Israels in Ägypten und die Rettung des Mose. "Herodes wird dadurch mit dem Pharao parallelisiert und als Gegner des göttlichen Heilswillens qualifiziert."

Den Stern von Bethlehem erklärt Schumacher symbolisch: In antiken Bildern würden Herrscher oft mit einem Stern über dem Haupt dargestellt. Die Bibel betone damit: "Es ist nicht Herodes, dem der Stern der Königsherrschaft zusteht, sondern das neu geborene Kind in Bethlehem."

Zangenberg präsentiert Herodes den Großen (73 - 4 v. Chr.) als einen klug balancierenden König, der sich sehr bewusst war, ein Herrscher von Roms Gnaden zu sein. Trotz aller Machtkämpfe im Umkreis von Marcus Antonius und Augustus sei es ihm gelungen, sich als loyalen Bundesgenossen zu präsentieren und die römische Forderung nach Ruhe und Sicherheit durchzusetzen.

Kompliziertes Verhältnis zu jüdischen Untertanen

Kompliziert war das Verhältnis zu seinen jüdischen Untertanen. Mit strategischen Schachzügen habe es der Emporkömmling, der nur als Halbjude galt, verstanden, in die Herrscherfamilie der Hasmonäer einzuheiraten. Misstrauisch begegnete das Volk seinem Ziel, die hellenistische und römische Kultur mit der Kultur der Juden zu vermischen - ein Balanceakt.

Um die Religiösen im Land zufriedenzustellen, ließ er den Tempel in Jerusalem in großer Pracht neu aufbauen. Und andererseits benannte er Städte wie Caesarea nach dem Kaiser und baute auch römische Tempel - was von frommen Juden ebenso als Götzendienst und Frevel gebrandmarkt wurde wie die Bereitschaft des Herodes, vor römischen Göttern zu opfern.

"Ständige Angst vor Attentaten und dementsprechendes Misstrauen gegen Angehörige seines eigenen Herrscherhauses machten Herodes oft genug zu einem Getriebenen", schreibt Zangenberg und verweist zugleich darauf, dass blutige Intrigen und Morde aus Machterhalt zu fast jedem hellenistischen Königshof der damaligen Zeit gehörten. Dass Herodes - da könnten die Wurzeln für den Kindermordbericht liegen - drei seiner Söhne hinrichten ließ und auch vor der Ermordung seiner Frau Mariamne sowie frommer Juden nicht zurückschreckte, erklären Historiker damit, dass der König sich zunehmend in Widersprüche seiner Machtpolitik verstrickte.

Im Neuen Testament wurde der Name "Herodes" zur "individuen-übergreifenden Bezeichnung" des grausamen Herrschers und Jesus-Gegners, wie Schumacher schreibt. Auch wenn die mit seinem Namen verbundenen Verbrechen wie die Enthauptung Johannes des Täufers oder die Verspottung Jesu in der Passionsgeschichte nicht auf Herodes den Großen, sondern nur auf seine Nachfolger Herodes Antipas und Herodes Agrippa zurückgehen können.


Quelle:
KNA