Was Autor Klaus Martens zu berichten hat, ist eine beinahe unglaubliche Geschichte aus dem Dschungel der Pharmaindustrie, die gerade, weil sie kein Märchen ist, bislang auch kein Happy-End gefunden hat. Sie beginnt vor 20 Jahren. Ein Medizinstudent liest in einem Fachartikel, dass Vitamin B12 dazu beiträgt Zellen im Gehirn zu erneuern. Was im Kopf hilft, müsste doch auch auf der Haut heilend wirken, denkt er und beginnt für seine Freundin, die unter Schuppenflechte leidet, zu experimentieren. Am Ende rührt er das purpurrote, kristalline Cyanocobalamin, so der chemische Name von Vitamin B12, mit Avocadoöl und anderen Substanzen, und es funktioniert. Nach wenigen Tagen ist die Freundin beschwerdefrei.
Nachfrage vorhanden
Der Student meldet ein Patent an, gründet eine kleine Pharmafirma und bemüht sich um Zulassung des Medikaments. Die bekommt er auch. Was ihm allerdings nicht gelingt ist, sich in Zusammenarbeit mit einer Pharmafirma die Vertriebswege zu erschließen. Über 16 Firmen seien angeschrieben worden, berichtet Klaus Martens, aber alle haben abgelehnt.
Über ein Jahr lang zogen sich die Recherchen zu diesem Film hin. Aufmerksam wurde der mehrfach ausgezeichnete, auf Wirtschaftsthemen spezialisierte WDR-Journalist durch die Patentschrift, die ihm zugespielt wurde. Er begann zu recherchieren, traf sich mit Professoren und Ärzten, die das Mittel, das unter dem Namen Regividerm auf den Markt kommen sollte, in Studien anwendeten. Überall war das Ergebnis: Die Creme bringt bei regelmäßiger Anwendung die Ekzeme zum Verschwinden.
Klaus Martens wollte auch mit dem Mann sprechen, der das Mittel entwickelt hat. Es wurde eine mühsame, aber erfolgreiche Suche.
Statt zu Anerkennung und Wohlstand zu kommen, ist er verschuldet und psychisch angeknackst. Die Patentrechte hat er im Zuge des Insolvenzverfahrens verloren, aber auch der Käufer hat es bislang nicht geschafft, das Medikament auf den Markt zu bringen. Regividerm geistert seit Jahren durch die Internetforen der betroffenen Patienten, selbst Apotheker sind auf der Suche danach. Die Nachfrage ist also vorhanden, besonders weil die Creme, anders als Cortisonprodukte, keine Nebenwirkungen hat. Die renommierte Beratungsgesellschaft PriceWaterhouseCoopers schätzt den Wert der Patentrechte gemessen am Marktbedarf auf rund 900 Millionen Dollar.
Markt für Kortison soll nicht gefährdet werden
Eigentlich sollte das jedes Unternehmen locken, doch die Pharmaindustrie blockt ab. Klaus Martens hat einen Manager vor die Kamera bekommen, der einräumt, dass er in seinem früheren Unternehmen gegen die Markteinführung von Regividerm gestimmt habe und sich gleichzeitig das Mittel für seinen Sohn besorgen ließ. Es gibt nur eine Erklärung, warum dieses Medikament verhindert wird: Offensichtlich fürchte man, den Markt für die eigenen teuren Cortisonpräparate zu verlieren.
Im TV-Sender Phoenix wird nach der ARD-Ausstrahlung eine einstündige Fassung des Films zu sehen sein. Am 22. Oktober veröffentlicht Klaus Martens unter dem Filmtitel ein Buch, in dem er Hintergründe und Fakten ausführlich darlegt. Darin findet der Leser auch die Rezeptur für die Vitamin B12 Creme, die jeder Apotheker auf Anweisung des Arztes anrühren kann und darf. Das ist keine Markteinführung, aber ein Auftritt durch die Hintertür und Hilfe für viele Patienten.
Hinweis:
«Heilung unerwünscht - Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern» Ein Film von Klaus Martens aus der Reihe «die story». ARD, Mo 19.10., 21.00 - 21.45 Uhr.
Heute in der ARD: Unglaubliche Geschichte aus dem Dschungel der Pharmaindustrie
Das verhinderte Medikament
Eine Creme, die den Juckreiz lindert, die schuppigen Ekzeme zum Abklingen bringt und gar nicht teuer ist - für Patienten, die unter Schuppenflechte oder Neurodermitis leiden, klingt das wie ein Märchen. Diese Creme gibt es wirklich, und doch ist sie für die allermeisten Patienten unerreichbar. Warum dies so ist, der Film "Heilung unerwünscht - Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern", der heute in der Reihe "die story" in der ARD zu sehen ist.
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