Heute wird die Nachfolgerin für Maria Jepsen gewählt

Die Qual der Bischöfinnenwahl

Fast genau elf Monate dauerte die Vakanz, die der Rücktritt von Bischöfin Maria Jepsen dem evangelisch-lutherischen Sprengel Hamburg und Lübeck bescherte. An diesem Freitag sind die 140 Mitglieder der Nordelbischen Synode aufgerufen, im "Michel" die Nachfolge der einst weltweit ersten lutherischen Bischöfin zu regeln. Es gibt zwei Kandidatinnen.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
 (DR)

Anders als 1992 wird die Wahl einer Frau ins Bischofsamt diesmal aber keine Sensation, sondern unausweichlich, denn auf der Kandidatenliste stehen nur Petra Bahr und Kirsten Fehrs. Spannend dürfte es jedoch auch diesmal werden: Wird die Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Oberkirchenrätin Bahr, oder die Hamburger Pröpstin und Hauptpastorin Fehrs zu Pfingsten 2012, wenn die neue Nordkirche offiziell aus der Taufe gehoben wird, Bischöfin sein?



Beide verkörpern bis ins Äußere - zierlich, blonder Kurzhaarschnitt, Brille - einen ähnlichen Typus und entstammen der gleichen Theologinnengeneration. Während die 44-jährige Bahr eine journalistische Ausbildung gemacht hat, promoviert ist und unter anderem in der evangelischen Friedensforschung tätig war, hat die 49-jährige Fehrs eine stärkere Verwurzelung in der Region. In Pfarrstellen auch auf dem Land erwarb sie Erfahrung in der Personal- und Gemeindeentwicklung sowie in der Erwachsenenbildung.



Missionarische Chancen in Alltagssituationen

Seit 2006 ist Kirsten Fehrs, die im schleswig-holsteinischen Wesselburen geboren ist, Hauptpastorin an Sankt Jacobi. Das Gotteshaus profiliert sich seit einigen Jahren als Pilgerkirche. Entsprechend sieht Fehrs, die mit einem evangelischen Pfarrer verheiratet ist, missionarische Chancen in Alltagssituationen. So fragten gelegentlich Leute in Sankt Jacobi an, wo man Fußsalbe bekomme. "Und das, obwohl wir sichtlich keine Drogerie sind." Hinter dem Missverständnis sieht Fehrs ein existenzielles Anliegen der Menschen: "Wie kann ich meinen Weg gehen und mit dem Schmerz umgehen, der den Weg begleitet?" Offen zu sein für diese Not und die Leute zum Reden zu bringen, betrachtet die Pastorin als Stärke der Kirche.



Petra Bahr ließe sich schon als EKD-Kulturbeauftragte eher im Feuilleton verorten. "Kampf um Kultur statt Kampf der Kulturen" heißt eine ihrer Thesen. Regelmäßig taucht Bahr, die aus Lüdenscheid stammt, als Autorin in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" auf. Und diese Woche tat die Theologin in der "Zeit" kund, wieviel ihr die Bibel bedeutet. Ein verstaubtes Exemplar, das sie in einem Berliner Antiquariat entdeckt hatte, konnte sie einfach nicht liegenlassen. "Die Heilige Schrift auf dem Fußboden, das tat fast körperlich weh. Ich habe sie aufgehoben, sauber gewischt und gekauft. Bei mir soll sie es besser haben. Ich verdanke ihr so viel."



Als Pfarrerin der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz ist ihr die Diaspora vertraut. "Es tritt sich leicht aus der Kirche aus, aber wer in die Kirche eintritt, hat immer eine Geschichte." Solche Schlüsselerlebnisse interessieren die Theologin, die mit ihrem Mann einen inzwischen dreijährigen Jungen adoptiert hat.



Maximal vier Urnengänge

Vor der mit Spannung erwarteten Wahl, die maximal vier Urnengänge vorsieht, haben die Kandidatinnen aber nicht den Anlass für Jepsens Rücktritt am 16. Juli 2010 vergessen: Die ebenso streitbare wie populäre Bischöfin reagierte damit auf Missbrauchsvorwürfe gegen einen Pastor, denen sie 1999 nicht konsequent genug nachgegangen sein soll. Jepsen wies die Vorwürfe gegen sie zurück, sah jedoch einen irreparablen Vertrauensverlust ihrer Person.



Noch immer gebe es ein unglaubliches Entsetzen darüber, dass im kirchlichen Schutzraum Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt angetan worden sei, sagt Pröpstin Fehrs. Scham reiche hier nicht aus: Den Opfern müsse geholfen werden, Prävention, aber auch Therapie tue not - auch für die Kirche selbst. Für die künftige Bischöfin, wie auch immer sie heißen wird, eine schwere Aufgabe.