Corona-Alltag einer Entwicklungshelferin in Jerusalem

Hilfe für Bethlehem aus dem Homeoffice

Linda Bergauer arbeitet seit knapp einem Jahr für das Caritas Baby Hospital in Bethlehem. Das Coronavirus hat ihr Leben vor Ort auf den Kopf gestellt. Ein persönlicher Erfahrungsbericht über die Einschränkungen in Jerusalem und Bethlehem.

Autor/in:
Von Linda Bergauer
Menschenleere Altstadt von Jerusalem / © Andrea Krogmann (KNA)
Menschenleere Altstadt von Jerusalem / © Andrea Krogmann ( KNA )

Ich bin gebürtige Schweizerin und im Rahmen des deutschen Entwicklungshilfegesetzes im Heiligen Land im Einsatz. Bisher war es kein Problem, in Bethlehem zu arbeiten und in der Jerusalemer Altstadt zu leben. Doch über Nacht galten in Palästina und Israel strikte Ausgangsbeschränkungen, um die Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie zu verhindern. Selbst Berufspendlerinnen wie mir ist es untersagt, nach Bethlehem zu fahren. Seither erledige ich meine Arbeit, wie so viele Menschen auf der Welt, aus dem Homeoffice.

Schlechte Internetverbindung

Mein Arbeitszimmer ist lichtdurchflutet – was in den eng aneinander und übereinander errichteten Häusern der Altstadt nicht selbstverständlich ist. Als Arbeitsplatz meiner möblierten Wohnung dient der Schminktisch meiner Vermieterin. Die instabile Internet- und Telefonverbindung in Ostjerusalem sorgt für zahlreiche Frustrationsmomente. Meine Kolleginnen im Caritas Baby Hospital erreiche ich oft erst nach mehreren Versuchen. Alles braucht mehr Zeit als sonst. Gerade als Mitarbeiterin im Bereich Kommunikation fehlt es mir, am Puls des Geschehens im Krankenhaus zu sein und Informationen aus erster Hand liefern zu können.

Gassen der Altstadt sind leergefegt

Wer jemals die Altstadt Jerusalems besucht hat, kennt das Gedränge in den Gassen, die intensiven Gerüche von Gewürzen, Gebäck und Kaffee, die lebendigen Farben sowie das Meer aus Geräuschen – und die starke Präsenz des israelischen Militärs. Durch die Ausgangsbeschränkungen war Jerusalem wochenlang wie ausgestorben, die Gassen sind leergefegt. Mit Ausnahme einiger Anwohner, die nach essentiellen Einkäufen verstohlen nach Hause eilten. Nur einmal verstieß ich selber gegen die Bestimmungen: An meinem Geburtstag traf ich hinter einem Lebensmittelgeschäft heimlich eine Freundin auf ein Eis.

Erste Lockerungen

Vor kurzem wurden die Restriktionen in Jerusalem gelockert. Schrittweise öffneten verschiedene Geschäfte, sportliche Aktivitäten oder Spaziergänge dürfen nun in einem Radius von 500 Metern vom Haus entfernt stattfinden. Dafür ist das Tragen einer Maske zur Pflicht erklärt worden. Größere Menschenansammlungen und die Wiedereröffnung von Cafés, Restaurants und Bars bleiben untersagt. Das mit dem islamischen Fastenmonat Ramadan verbundene abendliche Zusammenkommen zum Iftar, dem gemeinsamen Abendessen, bleibt dieses Jahr aus.

Solidarität trotz großer Sorgen

Normalität ist in Jerusalem mit Sicherheit noch nicht wieder eingekehrt, wenn auch einige Gründe zum vorsichtigen Aufatmen bestehen. Der palästinensischen Bevölkerung Ostjerusalems und des Westjordanlandes bereiten die wirtschaftlichen Auswirkungen der Restriktionen große Sorgen. Vielen Familien mangelt es, insbesondere im Westjordanland, an finanziellen Rücklagen.

Not wächst

Fast alle Arbeitsbereiche sind zum Erliegen gekommen, Ersparnisse haben die meisten nicht, eine Sozialversicherung gibt es hier nicht. Verschiedene muslimische, christliche und säkulare Institutionen versuchen, die wirtschaftlichen und sozialen Folgen für benachteiligte Familien zu mildern. Auch die Sozialdienstabteilung des Caritas Baby Hospitals greift nun einer größeren Anzahl von Familien bei der Finanzierung der medizinischen Versorgung oder der Medikamente für ihre Kinder unter die Arme.


Linda Bergauer / © Joan Mas Autonell (Kinderhilfe Bethlehem)

Die Gassen der Altstadt in Jerusalem sind wie leergefegt / © Joan Mas Autonell (Kinderhilfe Bethlehem)
Die Gassen der Altstadt in Jerusalem sind wie leergefegt / © Joan Mas Autonell ( Kinderhilfe Bethlehem )
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