Hilfe kommt nur langsam in nepalesische Dörfer

"Die Leute brauchen ein Dach über dem Kopf - oder ein Zelt"

Die Hilfe nach dem Erdbeben in Nepal kommt nur schleppend voran. Die Verteilung von Zelten und Nahrungsmitteln ist sehr schwierig. Woran das liegt, erzählt Peter Seidel, Nepal-Referent von Caritas international, im Gespräch mit domradio.de.

Totengedenken in Kathmandu (dpa)
Totengedenken in Kathmandu / ( dpa )

domradio.de: Immer wieder gab es ja die Kritik, dass Hilfe in Nepal gar nicht durchkommen würde, weil die Strukturen vor Ort chaotisch seien. Wie haben Sie das empfunden?

Peter Seidel (Nepal-Referent, Caritas international): Die unterschiedlichen Organisationen waren mit ganz unterschiedlichen Problemen konfrontiert. In einem Flugzeug von Bangkok nach Kathmandu saß einer unserer Katastrophenhelfer zusammen mit einem japanischen Team von Ersthelfern, das mit Suchhunden Verschüttete retten wollte. Der Flieger konnte damals aber leider nicht in Kathmandu landen, weil der Flughafen zu dem Zeitpunkt gesperrt war. Das Flugzeug musste dann zurückfliegen. Das ist natürlich für eine Suchhundestaffel, die gegen die Zeit arbeitet, eine katastrophale Situation. Unser Kollege kam dann am nächsten Tag in Kathmandu an. Wir sind jetzt im Moment damit beschäftigt, zu identifizieren, in welchen Dörfern unsere Hilfsgüter - Zeltplanen, Zelte, Nahrungsmittel - verteilt werden können.

domradio.de: Wie geht der Wiederaufbau denn voran - wie sieht es in den betroffenen Regionen aus?  

Seidel: Im Moment ist Wiederaufbau noch kein Thema. Im Moment sind Notunterkünfte für die Menschen ein wichtiges Thema. Wir haben gerade die Nachricht bekommen, dass die Hilfsgüterflüge mit Zelten aus Pakistan, die wir geordert haben, jetzt Landeerlaubnis haben. Die werden heute in Kathmandu landen und dann können wir sofort mit der Verteilung der Zelte anfangen. Das hört sich leichter an, als es in Wirklichkeit ist. Die Güter müssen mit Lastwagen in die Täler transportiert und dann in den Bergdörfern verteilt werden. Das ist sehr schwierig.

In den letzten Wochen wurde in den Medien ja vor allem die Situation in Kathmandu thematisiert. Viel schlimmer sieht es aber in den entlegenen Bergdörfern aus. Da gibt es welche, die von Erdrutschen verschüttet wurden. Andere wurden durch das Erdbeben völlig zerstört. Einer unserer Kollegen war an der Grenze zu China und hat erzählt, das Dorf dort sei vom Erdbeben verschont geblieben aber ein anschließender Steinschlag mit metergroßen Gesteinsbrocken habe riesige Verwüstungen angerichtet. Die Situation in den Dörfern ist sehr unterschiedlich, aber viele Dörfer sind in der Tat vollständig zerstört.

domradio.de: Wo liegt denn der Fokus der Caritas-Hilfe?

Seidel: Das Wichtigste, das die Menschen brauchen, ist ein Dach über dem Kopf oder ein Zelt. In spätestens zwei bis drei Wochen fängt der Monsun mit heftigen und lang andauernden Regenfällen an. Bis dahin müssen die Leute irgendwo einen trockenen Fleck haben, an dem sie mit ihren Familien unterkommen können. Ansonsten wird eine Grippewelle das Land heimsuchen und für die nächsten Probleme sorgen.

domradio.de: Gerade zu Beginn einer solchen Naturkatastrophe sind die Menschen im Ausland oft sehr betroffen und hilfsbereit. Je weiter das Unglück zurückliegt, desto weiter rückt es eben auch im Bewusstsein der Menschen nach hinten. Ist die Spendenbereitschaft schon gesunken?

Seidel: Je mehr Öffentlichkeit und Berichterstattung es gibt, umso mehr Spenden gibt es auch. Das wirkliche Ausmaß wird natürlich jetzt erst bekannt. Andererseits gibt es natürlich auch nicht viel Neues zu berichten, außer dass die Zahl der Toten noch viel höher ist, als man anfangs dachte, und dass noch viel mehr Regionen betroffen sind - auch solche, die auch für Journalisten schwer zu erreichen sind.  Das Problem ist nach wie vor riesig. Deshalb ist es für uns schade, dass das Medieninteresse nachgelassen hat.  Denn auf der anderen Seite wird uns der Wiederaufbau in Nepal noch Jahre beschäftigen.

 

Die Fragen stellte Christian Schlegel.


Peter Seidel, Nepal-Referent von Caritas international (KNA)
Peter Seidel, Nepal-Referent von Caritas international / ( KNA )
Quelle:
DR