Hilfsorganisation Oxfam zur Situation in den griechischen Flüchtlingslagern

Eine moralische und rechtliche Verpflichtung

Den Zustand in griechischen Flüchtlingslagern - beispielsweise in Idomeni - beschreiben Helfer als verheerend. Das muss sich ändern, mahnt die Hilfsorganisation Oxfam im domradio.de-Interview und fordert die EU zum Handeln auf.

Flüchtlinge in Idomeni / © Orestis Panagiotou (dpa)
Flüchtlinge in Idomeni / © Orestis Panagiotou ( dpa )

domradio.de: Wie dramatisch ist denn der Zustand in den griechischen Flüchtlingslagern?

Robert Lindner (Referent für humanitäre Krisen bei Oxfam): Das ist sehr unterschiedlich. In Idomeni, das ist momentan am stärksten im Fokus der Öffentlichkeit, herrschen mit Sicherheit sehr problematische Bedingungen. Wir sind dort selbst nicht vor Ort, aber wir haben auch Partner, die dort arbeiten. Dort ist es praktisch nicht möglich, humanitäre Hilfe - also richtige Nothilfe - zu leisten, so wie es in solchen Krisensituationen notwendig wäre. Es ist schwierig, dort so zu arbeiten, wie wir zum Beispiel in Ländern wie Libanon oder Jordanien arbeiten oder auch in Syrien selber, weil es in Griechenland so gut wie keine Vorbereitungen auf eine solche Situation gegeben hat. In Idomeni zum Beispiel besteht das Camp einfach aus einer Ansammlung von Zelten. Auf Lesbos sieht das ein bißchen anders aus. Dort gibt es schon festere Strukturen, aber das sind auch Durchgangs-Camps. Das heißt, dort sollen sich die ankommenden Flüchtlinge nicht länger aufhalten und das ist in der Regel auch so. Dort findet eine schnelle Registrierung statt und dann werden die meisten Migranten und Flüchtlinge aufs griechische Festland weitergeschickt. Darüber, wie es dort dann weitergeht, gibt es sehr, sehr viele Fragezeichen.

domradio.de: Die Balkanroute zu schließen ist politisch gewollt. Welche moralischen Verpflichtungen hätte Europa in Ihren Augen, dieses Problem anders zu lösen?

Lindner: Europa hat mit Sicherheit eine moralische Verpflichtung, dort stärker tätig zu werden - als Friedensnobelpreisträger und Verteidiger der Menschenrechte. Aber es sind auch rechtliche Verpflichtungen. Die sind ganz klar durch die Genfer Flüchtlingskonvention geregelt aber auch durch die europäischen Verträge. Es ist notwendig und unabdingbar, dass Flüchtlinge - also Menschen, die in Europa Schutz suchen - die Möglichkeit bekommen, dort einen Antrag auf Asyl zu stellen und dann ein ordentliches Verfahren bekommen, das wirklich rechtsstaatlichen Standards entspricht.

domradio.de: Bevor die Balkanroute geschlossen worden ist, sind Füchtlinge zwar bis nach Mitteleuropa durchgekommen. Das war aber auch mit großen Strapazen verbunden. Welchen Vorschlag hätten Sie an die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder, die ja gerade in Brüssel zusammensitzen, wie man den Zustrom der Flüchtlinge besser kanalisieren könnte?

Lindner: Es ist mit Sicherheit jetzt nicht unsere Aufgabe, diese Wege im Detail aufzuzeigen. Aber es muss natürlich eine Regelung her, es müssen geordnete Verhältnisse her. Es kann nicht darum gehen, vorrangig auf Abschottung und auf Rückführung zu setzen. So, wie es ganz offensichtlich in den Vorschlägen, die in Brüssel behandelt werden, geschehen soll. Es muss gewährleistet werden, dass in Griechenland - auf europäischem Boden - aber auch in der Türkei die Standards, die durch die internationalen Vereinbarungen festgelegt sind, eingehalten werden. Dass es dort keine Rückführungen gibt, insbesondere nicht in Länder, in denen Flüchtlinge nicht ausreichend geschützt sind.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR