Hilfswerk Missio erinnert an Schicksal von Kindersoldaten

Hilfe für Rückkehr in ein normales Leben

Der "Red Hand Day" macht auf das Schicksal von Kindersoldaten aufmerksam. Um ehemaligen Kindersoldaten die Rückkehr in ein normales Leben zu ermöglichen, unterstützt das Hilfswerk Missio Projekte, die Hoffnung machen.

Kindersoldat im Kongo / © Maurizio Gambarini (dpa)
Kindersoldat im Kongo / © Maurizio Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Begriff Kindersoldaten ist schwer greifbar. Das Problem dahinter ist aber ein wirklich Dramatisches. Wie kann man sich das vorstellen?

Jörg Nowak / © Harald Oppitz (missio)
Jörg Nowak / © Harald Oppitz ( missio )

Jörg Nowak (stellvertretender Pressesprecher von missio Aachen): Wir reden über lebensgefährliche Kriegssituationen, wo eigentlich die Schwächsten und Wehrlosesten in der Gesellschaft geschützt werden müssen. Wenn man sich vorstellt, dass dann Erwachsene Mädchen und Jungen entführen und ihnen eine Waffe in die Hand drücken und sie den Krieg schicken, dann ist das natürlich eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, die auch gar nicht durch diesen Begriff Kindersoldaten so wiedergegeben wird.

Man muss sich noch mal vor Augen führen, warum das diese erwachsenen Täter machen. Die sind nicht nur gewissenlos, sie sind auch feige, weil sie schicken diese Kinder als eine Art menschliches Kanonenfutter genau in die Situation, wo sie sich nicht rein trauen, wie mir Kindersoldaten unter anderem in Afrika erzählt haben. Die werden in Minenfelder gejagt. Da trauen sich die Erwachsenen nicht rein. Das ist natürlich ein Kriegsverbrechen, das ist unglaublich.

Jörg Nowak (Hilfswerk missio Aachen)

"Mädchen werden von zwei Seiten bedroht"

DOMRADIO.DE: Mädchen und junge Frauen sind besonders dramatisch von der Situation betroffen. Warum geht es denen denn anders als den Jungen?

Nowak: Diese Mädchen werden von zwei Seiten bedroht. Das hat mir unter anderem die ehemalige Kindersoldatin China Keitetsi erzählt. Sie sagte mir, dass sie tagsüber auf dem Schlachtfeld gegen den Gegner kämpfen musste. Abends aber, wenn sie zum Rebellen Lager zurückkam, dann drohte die nächste Gefahr durch die eigenen Soldaten, von denen sie vergewaltigt worden ist.

Die Großzahl sind sicherlich Jungen bei den Kindersoldaten, aber die Mädchen leiden da noch mal ganz extrem. Über ihre Geschichte hat China Keitetsi zwei Bücher geschrieben, das vielleicht als kleiner Buchtipp. Das ist absolut lesenswert, auch deshalb, weil es eine Happy End-Geschichte gibt. Sie hat zwei Kinder in Afrika gehabt und die hat sie verloren. Mithilfe von Missio hat sie die nach elf Jahren wiedergefunden. Dieses Buch von China Keitetsi "Tränen zwischen Himmel und Erde" ist ein ganz toller Lesetipp, der auch Hoffnung macht.

Jörg Nowak und die ehemalige Kindersoldatin China Keitetsi / © Harald Oppitz (missio)
Jörg Nowak und die ehemalige Kindersoldatin China Keitetsi / © Harald Oppitz ( missio )

DOMRADIO.DE: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das Thema ist so schwierig, dass man versuchen muss, Hoffnung zu machen. Das versuchen Sie ja auch mit Missio. Es gibt viele Projekte, die versuchen, die wirklich schwer traumatisierten Menschen zurück ins Leben bringen. Ein Beispiel ist ein Projekt, was Sie in der Demokratischen Republik Kongo machen. Was ist das für ein Projekt?

Nowak: Da ist es so, dass sich die Projektpartner von Missio gefragt haben, wie sie das schaffen können, dass diese Jungen und auch teilweise Mädchen wieder Vertrauen gewinnen und Verantwortung übernehmen. Es ist ja auch so, dass diese traumatisierten Kinder den Menschen nicht mehr vertrauen, weil die nur Schlechtes mit ihnen gemacht haben.

Unsere Projektpartner haben Folgendes gemacht: Wir haben ein ganz starkes, ganzheitliches Projekt, bei dem Tiere eine große Rolle spielen. Die ehemaligen Kindersoldaten sollen durch diese Tiere wieder Vertrauen gewinnen, Verantwortung übernehmen und diese Lebewesen versorgen. Deswegen spielen Enten, Truthähne und Ziegen eine wichtige Rolle in diesem Projekt.

Wenn man sich vorstellt, dass man für 8,50 € eine Ente spenden kann und dann ganz genau weiß, dass diese Ente eine wichtige Rolle in diesem Hilfsprojekt für diese 110 ehemaligen Kindersoldaten spielt, weil es wirklich ganz tolle Methoden gibt, diese Kinder wieder zurückzuführen in ein normales Leben, dann ist das total beeindruckend. Und es zeigt, wie stark die Projektpartner von missio auch mit allen möglichen Methoden und mit vollem Einsatz dafür kämpfen, diese schwer verwundeten Seelen wieder zu heilen und sie in ein normales Leben zurückzubringen.

Jörg Nowak (Hilfswerk missio Aachen)

"Ich kenne sehr viele Happy End-Geschichten. Ich finde, das macht auch Hoffnung für den Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindern in Kriegen"

DOMRADIO.DE: Die ehemaligen Kindersoldaten in einen ganz normalen Alltag zurückzuführen, spielt eine große Rolle. Das versuchen Sie auch mit einem Projekt, wo die Kindersoldaten in Uganda zum Fußballspielen ermuntert werden sollen. Was steckt dahinter?

Nowak: Das Beispiel des Fußballspielens spielt in ganz vielen Ländern eine ganz wichtige Rolle. Ich habe einen ehemaligen Kindersoldaten getroffen, der mir die tragische Geschichte erzählt hat, dass er auch entführt worden ist. Der Rebellenführer sagte: Hier ist eine Kalaschnikow, geh in das Dorf und schieß die alle tot.

Junge mit Patronenhülse / © Bettina Flitner (missio)
Junge mit Patronenhülse / © Bettina Flitner ( missio )

Danach ist er in ein Hilfsprojekt gekommen, als er geflohen ist. Dort war ein Element der Trauma-Arbeit, dass diese Kinder Fußball gespielt haben. Die anderen Fußballspieler, seine Freunde haben ihn angefeuert: Geoffrey, schieß noch ein Tor. Er hat so toll gespielt und war so befreit. Dieser Kontrast, auf Tore zu schießen statt auf Menschen, war so stark und das befreit die Kinder total.

Deswegen habe ich ganz großen Respekt vor diesen Projektpartnern von Missio, die ganz kreative Ideen haben, um diese Kinder wieder zurückzuführen in ein normales Leben. Da kann man ganz viel machen. Ich kenne sehr viele Happy End-Geschichten. Ich finde, das macht auch Hoffnung für den Internationalen Tag gegen den Einsatz von Kindern in Kriegen, für den "Red Hand Day", weil man etwas machen und die Situation verbessern kann für diese Kinder.

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich vom "Red Hand Day". Was kann der Tag bewegen?

Nowak: Wenn wir uns jetzt noch mal diese dramatische und tragische Situation in der Ukraine anschauen mit diesem Angriffskrieg, fühlen wir uns, glaube ich, auch sehr ohnmächtig. Das liegt nicht so ganz in unseren Händen. Da hoffen wir, dass bald Frieden eintritt.

Bei diesen Hilfsprojekten wie im Kongo können wir jetzt etwas machen, wo Kinder gerettet worden sind. Wir hoffen natürlich, dass mit mithilfe von Spenden aus Deutschland diese ehemaligen Kindersoldaten jetzt eine Hilfe bekommen, um wieder ganz normal in ein normales Leben zurückzukehren. Das wäre ein wichtiger Ansatz.

Ansonsten muss man natürlich insgesamt noch mal gucken. Es gibt zahlreiche Länder, wo weiter Kindersoldaten eingesetzt werden. Insgesamt befürchten wir, dass es 250.000 sind. Dieser Tag erinnert daran. Da müssen auch auf hoher politischer Ebene Handlungen folgen. Wir als Hilfsorganisation können jetzt erst mal nur sagen: Bitte unterstützt solche wichtigen Projekte zum Schutz von Kindersoldaten, damit sie wieder ganz normale Kinder werden können.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

"Red Hand Day"

Unter dem Titel "Red Hand Day" wird jedes Jahr am 12. Februar der Internationale Tag gegen den Einsatz von Kindersoldaten begangen. Mit Aktionen und Demonstrationen protestieren Menschen weltweit gegen den Missbrauch von Kindern als Kämpferinnen und Kämpfer - sei es in staatlichen Armeen, Rebellengruppen, Milizen oder bewaffneten Banden. Die Zahl der Kindersoldaten wird auf 250.000 geschätzt.

"Red Hand Day" / © aktionrotehand.de
"Red Hand Day" / © aktionrotehand.de
Quelle:
DR