Hilfswerke rufen zu verstärkter Hilfe für Somalia auf

Vom Regen in die Traufe?

Nach dem äthiopischen Blitzkrieg gegen Somalia sind die Ziele der Übergangsregierung unklar. Die Bürger befürchten Anarchie. Die kirchlichen Hilfswerke Caritas international und Diakonie Katastrophenhilfe haben nun zu mehr Hilfsbereitschaft für Somalia aufgerufen. Humanitäre Hilfe und bessere Lebensbedingungen seien Voraussetzung für eine dauerhafte politische Lösung der Konflikte, teilten die beiden Hilfswerke am Mittwoch in Freiburg und Stuttgart mit. Sie hätten ihre Unterstützung für das Land um 100.000 Euro aufgestockt; die Bundesregierung habe 250.000 Euro bereitgestellt.

 (DR)

Nach Angaben der Hilfsorganisationen wurden durch die jüngsten Kämpfe mindestens 60.000 Somalier vertrieben. Bereits zuvor hätten 500.000 Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie versorgen derzeit zusammen mit einer Partnerorganisation 30.000 Menschen mit Wasser, Nahrung, Planen und Moskitonetzen. Hunderttausende müssten in provisorischen Lagern ausharren, heißt es. Die Hilfe werde in den nächsten Tagen von Somalias Hauptstadt Mogadischu aus südwärts ausgedehnt.

In Somalia kämpfen Regierungstruppen und ihre äthiopischen Verbündeten gegen islamische Milizen. Die Islamisten hatten nach der Einnahme Mogadischus vor sechs Monaten den Großteil des Landes kontrolliert und die in Baidoa im Süden des Landes ansässige Übergangsregierung zunehmend bedrängt. Inzwischen hat die Übergangsregierung mit äthiopischer Hilfe wieder den Großteil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Derweil stecken tausende Menschen, die vor den Kämpfen geflohen waren, an der Grenze zu Kenia fest. Die kenianische Regierung will verhindern, dass Islamisten in ihr Land eindringen.

Somalischer Alltag ist zurückgekehrt
Eine Woche nachdem die Islamisten nur ein halbes Jahr nach ihrer Machtübernahme aus Mogadischu geflohen sind, ist zumindest vorläufig ein Stück somalischer Alltag zurückgekehrt. Doch viele Somalier bleiben skeptisch, was die Zukunft unter den neuen Machthabern, der somalischen Übergangsregierung, bringen wird.

An einem der Sammelpunkte für Waffen, die die  Übergangsregierung eingerichtet hat, steht eine Gruppe älterer Männer und wundert sich. "Es gibt niemanden, der hier Waffen abgibt, und niemanden, der sie annimmt", sagt einer von ihnen. Eine Frist bis zum Donnerstag hat Übergangspremier Ali Mohammed Ghedi den Bewohnern von Mogadischu gesetzt, um ihre Waffen freiwillig abzugeben. Islamisten, die sich stellen und keine Terroristen sind, sollen eine Amnestie erhalten. Doch so richtig glauben kann das in Mogadischu kaum jemand.

"Kein Clan gibt seine Waffen ab, wenn die gegnerischen Clans noch bis an die Zähne bewaffnet sind", sagt ein somalischer Journalist. Dabei war es den Islamisten gelungen, die Waffen in Mogadischu zu kontrollieren. Sie hatten mit Einwilligung der mächtigen Clans viele Milizen entwaffnet, die im Auftrag so genannter Kriegsfürsten - Geschäftsleuten mit Privatarmee - Jahre lang die Bewohner in Schach gehalten hatten. Als die Islamisten flohen, wurden die Waffenlager geplündert. Jetzt buhlen alle Seiten um die Loyalität der Söldner.

Vom Regen in die Traufe?
Die ungeliebten Kriegsfürsten planen schon ihr Comeback. Während äthiopische Truppen das letzte Aufgebot der Islamisten bis an die kenianische Grenze verfolgten, stellte sich Abdi Hassan Awale Qeybid in Mogadischu der Presse. Der Ex-Vertraute von Mohammed Farah Aidid, dem Erzfeind der US-Armee im Krieg um Mogadischu 1993, gibt sich großzügig. "Ich plane keinen Rachefeldzug gegen die Anhänger der Islamisten", sagt er. Qeybid will die Übergangsregierung unterstützen und ruft alle Somalier auf, die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Angst vor Anarchie
Vielen geht das zu schnell. Gerade erst hatten sich die Bewohner Mogadischus daran gewöhnt, dass sie sich in ihrer Stadt bewegen konnten, ohne alle paar hundert Meter an Straßensperren Schutzgeld abgepresst zu bekommen. Die Islamisten hatten außerdem den Hafen und Flughafen wiedereröffnet, worauf sich die verfeindeten Kriegsfürsten vorher nie einigen konnten.

Nach der Rückkehr der Kriegsfürsten wächst die Angst vor neuer Anarchie. Die Übergangsregierung behält ihre Pläne für die Zeit nach dem Blitzkrieg bislang für sich. Es ist unklar, wie der einflussreiche Hawiye-Clan, der hinter dem Aufstieg der «Union islamischer Gerichte» stand, integriert werden soll. Von Wahlen oder anderen demokratischen Prozessen spricht niemand.

Die Entsendung einer vom Übergangspremier Ali Mohammed Ghedi geforderten Schutztruppe der Afrikanischen Union kann dauern, weil die Finanzierung unklar ist. Der ohne ausländischen Schutz machtlosen Übergangsregierung bleibt kaum etwas anderes übrig, als für den vorläufigen Verbleib der äthiopischen Armee im Land einzutreten. Den meisten Somalis, die die Äthiopier spätestens seit dem Krieg um die Region Ogaden in den 1960er und 1970er Jahren als Erzfeinde betrachten, wird das kaum gefallen.