DOMRADIO.DE: Herr Domvikar, die vielen Domministranten in rot-weiß, die feierlich mit den Zelebranten einziehen oder am Altar ihren Dienst verreichten, wirken jedes Mal wie ein eingespieltes Team und sind aus dem Kölner Dom längst nicht mehr wegzudenken. Viele Kinder und Jugendliche empfinden es zudem als große Ehre, ausgerechnet im Dom dienen zu dürfen. Wie unterscheidet sich denn der Ministrantendienst in Kölns Kathedrale von der Messdienertätigkeit in einer Pfarrgemeinde?
Tobias Hopmann (Domzeremoniar und Domvikar): Grundsätzlich ist der Dienst an sich erst einmal derselbe: Ob in einer kleinen Dorfkapelle oder im Petersdom in Rom – es geht darum, die Liturgie zu unterstützen Nun ist der Kölner Dom eine Bischofskirche und auch sonst kein Raum wie jeder andere. Die Wege sind weiter und – im Unterschied zur Pfarrkirche – werden hier auch in einer bestimmten Frequenz Messen von Bischöfen zelebriert. Und dann gibt es natürlich auch noch die Gottesdienste, die für das ganze Bistum ausschließlich im Dom gefeiert werden: wie die Chrisam-Messe in der Karwoche, Priester- und Bischofsweihen, die Totenmesse für einen Bischof oder auch die zentrale Aussendung aller Sternsinger durch den Erzbischof – wie jetzt wieder Ende Dezember. In den Pfarreien ist es eher so, dass dort Kinder nach der Erstkommunion allmählich in dieses Ehrenamt hineinwachsen. Das trifft auf die Kommunionkinder des Domes nicht zu. Sie kommen über die Kölner Domsingschule und gehen dann in die Domchöre. Am Dom gibt es daher sehr viele „Quereinsteiger“. Der eine oder andere von ihnen kennt eventuell einen Dommessdiener, von dem er dann schon mal mitgenommen wird, um zu schauen, ob das auch für ihn selbst etwas sein könnte. Wir leben also vor allem von der Mund zu Mund-Propaganda.
DOMRADIO.DE: Welche Voraussetzungen muss man denn mitbringen, wenn man Dommessdiener werden will?
Hopmann: Ganz wichtig: die Freude an Liturgie. Und da die im Dom auch schon mal etwas länger gehen kann, außerdem noch Ausdauer und natürlich Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Disziplin. Mir persönlich ist wichtig, dass die Motivation stimmt. Denn auf keinen Fall sollte jemand überheblich sein und glauben, als Dommessdiener sei man etwas Besseres. Es geht nicht um Profilierung. Jeder Dienst – egal wo – ist gleichwichtig und gleichwertig. Und es ist ein Dienst in einer großen Gemeinschaft, in die sich jeder, der dazu kommt, einfügen sollte. Das bedeutet, auch für geringere Aufgaben bereit zu sein oder aber in Vorabend- und Werktagsmessen zu dienen; also in Messen, die nicht so im Fokus stehen. Wer bei uns mitmacht, sollte kein „Schönwetter-Messdiener“ sein.
DOMRADIO.DE: Haben Sie denn immer den Überblick, ob für alle Messen auch genügend Messdiener zur Verfügung stehen?
Hopmann: Für das Kapitelsamt am Sonntag gibt es keinen festen Plan. Dafür sind eigentlich immer genug Messdiener da. Aber für die anderen Zeiten, die um einiges unspektakulärer sind – wie die 9 Uhr- oder 17 Uhr-Messe – kann man sich mit einer Kennung online anmelden, damit ich Bescheid weiß. Bei Pontifikalämtern fallen automatisch mehr Dienste an. Da muss es dann auch eine Mindestanzahl an Messdienern geben: für das Vortragekreuz, die Leuchter, den Weihrauch… Je mehr es sind, desto feierlicher sieht es natürlich auch aus.
DOMRADIO.DE: Sie haben es schon angesprochen: Es gibt am Dom eine ganze Reihe an unterschiedlichen Diensten. Gibt es denn im Vorfeld der großen Kirchenfeste – wie jetzt zu Weihnachten mit den vielen feierlichen Pontifikalämtern – auch Extra-Proben?
Hopmann: Immer mal wieder – aber eher zu ganz besonderen Anlässen wie beispielsweise dem Requiem von Kardinal Meisner im letzten Jahr oder der Eröffnungmesse der Tagung aller deutschen Bischöfe hier bei uns im Bistum vor knapp zwei Jahren – gibt es Proben, um die Abläufe nach genauen Vorgaben einmal durchzuspielen. Das ist aber eher die Ausnahme. Spannend ist es eher bei Fernsehübertragungen, wie der am 10. März, wenn bei uns die Misereor-Fastenaktion eröffnet wird. Da muss dann alles auf die Minute stimmen und wird akribisch vom Sender vorher mit der Uhr gestoppt. Aber in der Regel werden anstehende Besonderheiten – wie am ersten Adventssonntag die der Segnung des neuen Lektionars zu Beginn des Kirchenjahres – vor der Messe kurz besprochen. Da brauche ich dann bis zu drei Messdienern mehr. Und da die Dommessdiener, vor allem die älteren unter ihnen, eine große Routine haben, ist so etwas überhaupt kein Problem.
DOMRADIO.DE: Es gibt ja sicher auch sehr begehrte Dienste. Wer entscheidet denn, wer im Pontifikalamt zur Heiligen Nacht das Weihrauchfass schwenken darf?
Hopmann: Im Dom haben wir Dienste, die es woanders sicher so auch geben könnte, selbst wenn sie in einer normalen Gemeinde nicht – wie bei uns – an der Tagesordnung sind: das Tragen von Flambeaus zum Beispiel oder den Stab- und Mitra-Dienst, wenn ein Bischof zelebriert, oder auch der Vesper-Dienst am Sonntagabend am Dreikönigenschrein. Und natürlich soll es bei der Verteilung dieser Aufgaben gerecht zugehen, so dass jeder auch mal einen größeren Dienst übernehmen darf. Denn – wie gesagt – gleich wichtig sind sie alle. Bei einer Altersspanne von acht bis 35 Jahren wird genau darauf geachtet, dass auch die Jüngeren schon sehr bald mit den verantwortungsvolleren Diensten vertraut gemacht werden, um dann in diese hineinzuwachsen. Das behält die Leiterrunde gut im Blick, die schon eine Menge Erfahrung hat, von der im Übrigen auch ich profitiere, wenn ich spüre, dass die mitdenken. Als ich selbst am Dom noch neu war, haben die Ministranten völlig selbständig agiert. Das ist an einer solchen bedeutsamen Kirche auch wichtig und hat mich damals enorm entlastet.
DOMRADIO.DE: Am Kölner Dom gibt es ja noch einmal die Besonderheit, dass das Domradio jedes Kapitelsamt und auch die Chorvesper im Live-Stream sendet und an jedem zweiten Sonntag der 10 Uhr-Gottesdienst aus dem Dom außerdem in bibel.tv und EWTN übertragen wird. Das bedeutet auch, dass peinliche Fehler von Kameras genau beobachtet werden und – wie es so schön heißt – das Internet nichts vergisst…
Hopmann: In der Bischofskirche eines Bistums sollte die Liturgie natürlich vorbildlich, das heißt besonders würdig und feierlich sein. Dass solche Übertragungen oft unterschätzt werden, merke ich an den Rückmeldungen, die mich aus allen Teilen Deutschlands und darüber hinaus erreichen. Selbst Zuschauern, die weit weg sind, ist man über die Medien vertraut. Und sie verfolgen genau, wenn etwas im Altarraum nicht ganz richtig läuft. Schließlich kommen wir zu ihnen in die Wohnzimmer. Nun besteht unser Anspruch nicht darin, perfekt zu sein, aber doch eine zu jeder Zeit würdige Liturgie zu garantieren, die eine innere Beteiligung aller zeigt – und damit letztlich auch die Bedeutsamkeit von Liturgie. Denn wir sind ja keine Schauspieler. Für viele dieser Menschen, die wir über die Medien erreichen, ist der Sonntagsgottesdienst im Fernsehen ihre Andockstelle an Kirche und etwas sehr Wichtiges. Für manch einen wird der Dom auf diese Weise sogar zur Heimatpfarrei.
DOMRADIO.DE: Schauen Sie sich denn später noch einmal die eine oder andere Gottesdienstaufzeichnung an?
Hopmann: Uns allen ist bewusst, dass wir unter ständiger Beobachtung sind. Und eine Video-Analyse kann manchmal hilfreich sein, daraus zu lernen. Aber Liturgie verfolgt keinen Selbstzweck, vielmehr sollen gerade auch die Messdiener den theologischen Hintergrund von liturgischen Regelungen verstehen und ihren tieferen Sinn. Einen Austausch darüber, warum was geschieht und wie es in diesem speziellen Raum umgesetzt werden kann, damit es wirklich auch stimmig aussieht, will ich in Zukunft noch verstärkter anbieten. Bei den Fernsehübertragungen sieht man zum Beispiel manchmal sehr genau, dass ich ein Zeichen für eine gemeinsame Kniebeuge gebe oder die Zelebranten zur Gabenbereitung dazu auffordere, an den Altar zu treten. Gerade bei Gastpriestern ist es dann wichtig, solche Einladungen mit sogenannten offenen Gesten zu unterstreichen. Das kommt als Körpersprache sehr viel freundlicher an. Außerdem sollte ein Zeremoniar, der nun mal für die Liturgie verantwortliche Mann, keine Hektik verbreiten, möglichst nicht viel hin- und herlaufen, sondern dezent und unauffällig im Hintergrund für einen reibungslosen Ablauf sorgen, auch die Vorgänge im weitläufigen Hochchor des Domes im Blick, um damit alle Fäden in der Hand zu behalten. Es ist gut, dass die Fernsehzuschauer und auch die Gottesdienstbesucher im Dom viel, aber auch nicht alles mitbekommen. Denn hinter den Kulissen passiert viel mehr, als man denkt.
DOMRADIO.DE: Seit Neuestem gibt es das Angebot, dass auch auswärtige Messdienerinnen und Messdiener einmal im Dom dienen dürfen, wenn sie sich dazu vorher angemeldet haben…
Hopmann: Damit wollen wir auch allen anderen Ministranten in unserem Bistum einmal eine Domerfahrung ermöglichen. Denn die Dommessdiener wollen keine Elite-Truppe sein. Ich erinnere mich noch genau an meine Zeit als Priesteramtskandidat und daran, wie erhaben ich allein damals den Einzug durchs Mittelschiff erlebt habe. Das ist schon etwas ganz Besonderes, und das sollen alle mal erlebt haben, die sich wünschen, in ihrer Bischofskirche für einen Tag mit dabei zu sein. Außerdem kann eine Messdienergruppe damit einen schönen Ausflug nach Köln verbinden. Über die Homepage ministranten-koeln.de unserer Ministrantenpastoral findet man alle Infos dazu. Alle sind uns herzlich willkommen. Und wie man sieht, wird diese Einladung in der „cooleren Location“, wie es schon mal unter den jungen Besuchern heißt, gerne angenommen. Manchmal kommen auch die Eltern mit. Und die Großmutter schaut sich alles auf DOMRADIO.DE an. Dann wird Dienen im Dom zu einem unvergesslichen Erlebnis für die ganze Familie. Doch keinesfalls geht es darum, mit diesem Angebot bei den Mitbrüdern in den Gemeinden Messdiener abzuwerben.
DOMRADIO.DE: Die Liturgie ist das eine, aber die Gemeinschaftserfahrung ist ja sicher für viele junge Leute wenigstens genauso wichtig, wenn sie ein Ehrenamt in der Kirche übernehmen. Treffen sich die Dommessdiener denn auch außerhalb der Messzeiten?
Hopmann: Die Hauptmotivation, im Dom zu dienen, hat sicher mit dem Interesse an Liturgie zu tun, bei der es um die Gemeinschaft mit Jesus Christus geht. Aber natürlich ist auch die Gemeinschaft untereinander sehr wichtig. Es werden Fahrten organisiert – wie zum Beispiel die große Bistumswallfahrt für Ministranten nach Rom alle drei Jahre, die immer ein absolutes Highlight ist –, es gibt den jährlichen Ministrantentag in Altenberg, dann Glaubensgesprächskreise, in denen man sich über religiöse Fragestellungen, aber eben auch den Sinn von Liturgie austauscht. Es gibt Gespräche mit Priestern oder den Bischöfen und immer auch gesellige Angebote, wie gerade eben Besuche auf dem Weihnachtsmarkt oder Verabredungen zum Schlittschuhlaufen. Unser Glaube ist auf Gemeinschaft hin angelegt. Denn man ist ja nicht nur Christ für sich allein. Mir ist wichtig, dass die Jugendlichen untereinander ins Gespräch kommen und ihre Gemeinschaft – gerade durch gemeinsames Unterwegssein bei Freizeitaktionen – gestärkt wird. Bei einer Messdienergruppe geht es nicht darum, Individualist zu sein, sondern sich auf die anderen einzulassen und sich – im Bedarfsfall – auch gegenseitig beizustehen. Wie es dem anderen gerade geht, bekomme ich ja nur mit, wenn ich mit ihm in Kontakt bin. Der Ministrantendienst ist ein Dienst am Altar und grundsätzlich ein gutes Lernfeld für vieles. Hier kommt es auf Gottesliebe und Nächstenliebe an, das heißt, es wird auch darauf geschaut, was der andere gerade braucht. Bei uns herrscht eigentlich immer eine Stimmung der Offenheit und ein fröhliches Miteinander, auch wenn es schon mal ein bisschen hektischer zugeht – wie jetzt zur Advents- und Weihnachtszeit mit den vielen zusätzlichen Gottesdiensten, bei denen die Dommessdiener dann Hochsaison haben.
DOMRADIO.DE: Ein richtiger Dommessdiener läuft an den Festtagen vermutlich dann zur persönlichen Hochform auf…
Hopmann: Zu diesem feierlichen Anlass sind natürlich richtig viele Ministranten im Einsatz. Gerade an solchen Feiertagen – der letzte ist ja erst der Dreikönigstag – ist zu spüren, dass sie eben auch eine eingeschworene Truppe sind. Nach der Mitternachtsmette in der Heiligen Nacht wird noch bis in die frühen Morgenstunden im Priesterseminar weitergefeiert, aber am Weihnachtsmorgen stehen dann trotzdem wieder alle um 10 Uhr zur nächsten Festmesse parat.
Das Interview führte Beatrice Tomasetti (DR)