Es habe von evangelischen Gemeinden kaum Reaktionen auf deren Ergebnisse gegeben, anders als bei katholischen, sagte der Mitautor der Studie bei einer Online-Veranstaltung des Dekanats Fürth am Dienstagabend.
Selbstbild der Kirche stehe Aufarbeitung im Weg
Großbölting führte die geringe Resonanz auf ein "stark etabliertes Selbstbildnis" der Evangelischen zurück, "die bessere Kirche" zu sein. Dabei habe die ForuM-Studie klar spezifische evangelische Faktoren festgestellt, die zu sexualisierter Gewalt führen konnten, erläuterte er: Einer von ihnen sei das Pfarrhaus. In ihm werde oft wenig zwischen privat und beruflich unterschieden.
Hamoniezwang und Verantwortungsdiffusion
Ein weiterer Befund ist nach seinen Angaben ein "Harmonisierungszwang" in der evangelischen Kirche. Konflikte würden nur kurz ausgetragen und zwischen "guten" und "schlechten" Betroffenen unterschieden. Schlechtere Betroffene seien jene, die sich nicht auf "Sprachspiele rund um Schuld und Vergebung" einlassen würden. Außerdem fördere Missbrauch im Protestantismus, dass er sich als partizipative Kirche wahrnehme, in der alles von vielen entschieden werde, sagte der Studien-Co-Autor. Das führe dazu, dass sich niemand verantwortlich fühle.
Veranstaltung schlecht besucht
Die Online-Veranstaltung des Dekanats Fürth besuchten 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Diese geringe Zahl gebe ihm zu denken, sagte der Fürther Dekan Jörg Sichelstiel.
Ende Januar hatte ein Forscher-Team seine ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt im Raum der evangelischen Kirche und der Diakonie vorgestellt. Darin ist von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede. Die Forscher gehen von einer deutlich höheren Dunkelziffer aus.