Papst Franziskus mahnt, zum Schutz vor Populismus immer wieder an die schrecklichen Kriege der Vergangenheit zu erinnern.
Dies sei besonders bedeutend für alle Generationen, die die beiden Weltkriege nicht mehr erlebt haben, sagte das Kirchenoberhaupt am Dienstagabend in Rom. "Es ist wichtig, dass sie die Anfänge des Populismus kennen". Konkret nannte er dabei auch die Machtergreifung durch Adolf Hitler 1933, die nie in Vergessenheit geraten dürfe.
Die Erinnerung an die Weltkriege sei zwar eine negative Erfahrung, aber dennoch "ein Schatz", wenn es darum gehe, nicht noch einmal die gleichen Fehler zu begehen, sagte der Papst bei einer Veranstaltung im Kirchengeschichtsinstitut Augustinianum.
Folter und Krieg in "Welt der Menschenrechte"
Nicht nur Hitler, auch die Kirche habe doch zur Zeit der Reformation habe auch die katholische Kirche "Hass gesät".
"Hass zu säen, ist einfach – nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch im eigenen Stadtviertel. Ich komme da von den großen Kriegen auf die üble Nachrede in der Familie oder im Stadtviertel, aber sie sind von der gleichen Art: Sie töten!", so der Papst. Warum es in einer "Welt der Menschenrechte" so viel Folter gebe, verstehe er nicht.
Frage und Antwort mit Franziskus
Franziskus antwortete mit seinen Ausführungen auf die Frage einer 83-jährigen Italienerin. Diese hatte unter anderem ihre Sorge geäußert angesichts eines zunehmendem Populismus und wachsender Gewalt gegenüber Flüchtlingen und Migranten. Bei der Veranstaltung hatten alte und junge Teilnehmer aus Kolumbien, Italien und Malta Gelegenheit, dem Kirchenoberhaupt Fragen zu stellen.
Auch der US-amerikanische Star-Regisseur Martin Scorsese (75) war dabei.
Papst ist "Sohn von Migranten"
Der Papst beantwortete auch Fragen zur Migrationskrise in Europa, wobei er es spürbar vermied, auf die derzeitige italienische Innenpolitik der geschlossenen Häfen einzugehen. Der Vatikan hält sich offiziell und grundsätzlich aus der italiensichen Tagespolitik heraus.
Früher habe man von "Rassenreinheit" gesprochen, heute wende man sich gegen Migranten, so der Papst. "Man sollte daran denken, dass Europa von Migranten gebildet wurde und dass die Kulturen gemischt sind!" Er selbst sei ja "Sohn von Migranten", so der Papst, dessen Vorfahren im 20. Jahrhundert von Italien nach Argentinien ausgewandert sind. Es sei sehr wichtig, dass "ganz Europa" die Migrationsfrage einvernehmlich angehe.
Dritter Weltkrieg in Stücken
Wieder sprach der Papst zudem von einem "dritten Weltkrieg", der längst da sei und nicht weggeredet werden könne.
"Ich leide, bete und erhebe die Stimme. Wir dürfen dieses Leiden nicht akzeptieren, etwa indem wir sagen: Naja, Leid gibt es so vieles. Nein, heute gibt es längst den Dritten Weltkrieg in Stücken. Fehlen von Menschlichkeit, Aggression, Hass."
Wie geht Glaube?
Auf eine andere Frage hin betonte Franziskus: "Glaube ist nicht nur Inhalt oder lesen im Katechismus." Es gehe vielmehr ums ein gantes Leben. "Der Glaube wird immer im Dialekt weitergegeben – in der Sprache von zuhause, in der Sprache der Freundschaft."
Dass es manchmal nicht gelinge, den Glauben weiterzugeben, gehöre dazu, sagte Franziskus und tröstete damit ein Ehepaar aus Malta. Sie hatten ihm erzählt, es sei ihnen nicht gelungen, allen ihren Enkeln den Glauben weiterzugeben. "Das Leben ist so – ihr habt den Glauben weitergegeben, aber dann macht die Welt den Kindern andere Angebote, und viele entfernen sich deswegen vom Glauben. Gar nicht unbedingt aus Bosheit", merkte der Papst an.
Priester mit Doppelleben sind Gefahr für Glauben
Für Großeltern oder Eltern, denen es nicht gelungen sei, den Glauben in der nächsten oder übernächsten Generation zu verankern, bedeute das "kein Scheitern". Der Papst rate ihnen dazu, "viel Geduld und Gebet" aufzubringen, "nie zu streiten", ihre Kinder und Enkel "zu begleiten und sie nicht zu verurteilen".
Was Menschen vom Glauben entferne, sei immer "das schlechte Vorbild", etwa von Priestern, die ein Doppelleben führten.
Leben ist Risiko
Einmal mehr kritisierte der Papst die "Wegwerfgesellschaft" und den "Markt der Heuchelei": "Was zählt, ist der persönliche Erfolg – selbst wenn man dabei auf anderen herumtrampeln muss." Er rate dazu, die Hand zu anderen hin auszustrecken, "auch wenn man sich dabei mal die Hände schmutzig macht".
Auch von einer "Kultur der Versicherung" halte er nicht viel: "Wenn du im Leben nie etwas riskierst, dann wirst du nie reifen." Jugendliche sollten Mut zum Träumen haben und "den Traum der älteren Menschen weitertragen".
Bischofssynode tagt noch bis Sonntag in Rom
Der Vatikan hatte das Dialogtreffen zwischen Alt und Jung im Zusammenhang mit der derzeit tagenden Bischofssynode zur Jugend organisiert.
Diese steht unter dem Titel "Die Jugend, der Glaube und die Berufungsunterscheidung" und endet am Sonntag. (KNA/DR)