Nordirlands Kirche besorgt nach Wahl in Großbritannien

"Hoffentlich kriegen wir keine neue harte Grenze"

Boris Johnson kann nun Großbritannien aus der EU führen. Der Widerstand bleibt, zum Beispiel in Nordirland. Bischof McKeown aus dem Bistum Derry sorgt sich vor einer harten Grenze und möglichen Konsequenzen für die Menschen.

Straßenplakat gegen den EU-Austritt Großbritanniens in Nordirland / © Alexander Brüggemann (KNA)
Straßenplakat gegen den EU-Austritt Großbritanniens in Nordirland / © Alexander Brüggemann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Im Unterhaus in London gibt es jetzt wieder klare Verhältnisse. Was denken die Menschen bei Ihnen im Bistum darüber?

Donal McKeown (Bischof der Nordirischen Diözese Derry): Ich glaube, das Schlimmste, was wir hätten erwarten können, war eine weiterhin andauernde Unsicherheit. Jetzt haben wir Sicherheit und Klarheit darüber, was in der Zukunft geschieht.

In diesem Sinne sind die Leute ziemlich zufrieden. Aber im Allgemeinen ist es eine sehr interessante Wahl gewesen. Die Kathedrale und mein Wohnsitz ist im Norden, aber ein Teil der Diözese liegt auch in der Republik. Die Grenze ist für uns eine sehr wichtige und aktuelle Frage. Wir warten jetzt, um zu sehen, was eigentlich mit der Grenze geschieht. Wir wissen nicht, welche Einflüsse das auf unsere Stadt haben wird, besonders auf die Armen der Diözese.

DOMRADIO.DE: Was würde der Brexit für Sie konkret bedeuten?

McKeown: Seit 20 Jahren gibt es keine Grenze mehr in diesem Sinne (zwischen Nordirland und Irland, Anm.d.R.). Die Grenze liegt vielleicht zwei oder drei Kilometer von meinem Haus entfernt. Sie gehört zu unserem Leben. Ein Viertel der Pfarreien der Diözese liegen in der Republik Irland. Wir haben sogar eine Pfarrei, die teilweise in Nordirland und teilweise in der Republik liegt. Von Seiten der Kirche her haben wir keine Sorgen.

Meine eigentliche Hauptsorge liegt bei den Menschen, bei den jungen Leuten und besonders bei den Schwächeren in der Gesellschaft. Gibt es mehr Hoffnungslosigkeit, wenn wir eine Grenze kriegen? Gibt es mehr Gewalt? Die Fragen sind für mich viel wichtiger, als die Fragen, wie es für die Kirche ist. Die Kirche ist da, um Frieden zu stiften und den Ärmsten zu helfen. Wir sind nicht so sicher, wie das ausgehen wird. Hoffentlich kriegen wir keine neue harte Grenze. Für Großbritannien ist Nordirland nicht allzu wichtig.

DOMRADIO.DE: Brächte denn das nicht auch wieder die Gewalt nach Nordirland zurück, wenn aktiv über eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich gesprochen wird?

McKeown: Natürlich, die Möglichkeit besteht. Wir wissen nicht, was geschehen wird. Wir wissen nur, dass es Leute gibt, die eigentlich die Unsicherheit über die Zukunft ausbeuten könnten. Das Vereinigte Königreich könnte auseinandergehen, Schottland könnte weggehen, ebenso Nordirland. Die nächsten Jahre werden höchst interessant sein. Als Kirchenführer und auch gemeinsam mit anderen Kirchenführern in Nordirland wollen wir immer darauf bestehen, dass sich alles friedlich entwickelt. Und nicht durch Gewalt, nicht durch Tode oder nicht durch Bombenanschläge. Die möchte keiner mehr haben.

DOMRADIO.DE: Eine große Rolle beim Nordirland-Konflikt spielt die Konfession. Sie als Katholik sind eher der Republik Irland zugewandt. Was würde das denn für Sie bedeuten, wenn es zur Einheit kommt?

McKeown: Wir stellen jetzt nicht die Frage, ob die Einheit kommt. Sie kommt vielleicht. Aber was für ein Irland bietet ihr an? Das ist eigentlich die wichtigste Frage, die wir prophetisch stellen müssen – nicht nur allein als katholische Kirche, sondern auch als gemeinsame Kirche. Was für ein Irland wird es sein? Ein Anhang zur englischen Wirtschaft oder zur Philosophie des Marktes? Was bedeutet das besonders für die Armen und Schwachen? Es gibt zurzeit sehr viele Obdachlose in der Republik. Ein Anschluss und eine Einheit für sich ist keine Antwort auf die Frage. 

Das Interview führte Michelle Olion.


Quelle:
DR