Nicht nur volle Flughäfen, überfüllte Züge und kilometerlange Staus auf unseren Autobahnen sind verlässliche Signale dafür, dass das Osterfest naht. In vielen Regionen unserer Erde sind heute am Palmsonntag feierliche Prozessionen zu bestaunen. Christen erinnern mit diesen festlichen Umzügen an den Einzug Jesu in Jerusalem. Dieser zog vor 2000 Jahren nicht wie ein König mit einem großen Heer in seine Stadt, sondern er ritt auf einem Esel in sie hinein. Dieselben Menschen, die ihm damals „Hosianna“ zujubelten, riefen schon wenige Tage danach: „Ans Kreuz mit ihm!“
So sind wir Menschen bis heute. Gerade noch haben wir unsere Weltmeister und Sieger gefeiert – im nächsten Augenblick sind diese für uns Flaschen und Versager. Fragen Sie mal einen frisch gefeuerten Fußballtrainer, oder denken Sie an den Papst. Gerade noch der große Hoffnungsträger für die ganze Welt – und im nächsten Augenblick aus Sicht vieler ein Sturkopf im Vatikan.
Wenn wir heute am Palmsonntag Jesus auf einem Esel als unseren König feiern, dann sollten wir diese oftmals überzogenen menschlichen Erwartungen vor Augen haben. Vielleicht sind wir mit unserem Urteil zukünftig vorsichtiger. Und vielleicht verzichten wir in der letzten Woche dieser Fastenzeit mal nicht nur auf Fleisch oder Süßigkeiten oder Alkohol – sondern ganz bewusst auf unsere Vorurteile und unsere oftmals so vernichtenden Urteile. Jeder, der so auf dem Weg der Umkehr ist, geht gemeinsam mit Jesus dem österlichen Licht entgegen.
Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln