Hotelier lädt Kinder mit ihren Familien zum Essen ein - "keine Armenspeisung"

Immer wieder Sonntags

Sonntags geht Küera mit ihren kleinen Brüdern immer essen. Die Neunjährige bestellt sich dann gern Nudeln. Dem achtjährigen Mikail schmecken dagegen Blumenkohl und Möhren und dem siebenjährigen Junus Paprika besonders gut. Zum Essen trinken die vier Geschwister viel Limonade und zum Nachtisch nehmen sie noch einen Schokoladenpudding. Bezahlen müssen sie dafür nichts. Denn die vier sind Gäste von Marc Cantauw. Der Bremer Hotelier lädt jeden Sonntag Kinder zum Essen ein.

Autor/in:
Claudia Kuzaj
 (DR)

Kurz vor Weihnachten hörte der Direktor des Belladins Superior Hotel im Radio eine Reportage über die Wünsche von Kindern. Ein warmes Essen hätten sie gern wieder einmal, sagten die Kinder. «Da muss ich helfen», dachte sich Cantauw. Er sprach mit der Leiterin eines Kindergartens im Stadtteil Vahr. Dort leben viele Familien, die wenig Geld haben. Und dort steht auch Cantauws Hotel. Montags müsse im Kindergarten immer fast die doppelte Menge gekocht werden, weil die Kinder so viel Hunger hätten, erzählte ihm die Leiterin. Nach dem Gespräch stand Cantauws Entschluss fest: «Ich möchte, dass Kinder sonntags immer ein warmes Essen bekommen.»

Immer lecker
Zum Essen dürfen die Kinder auch ihre Eltern mitbringen. «Was soll ich denn machen, ich muss von 'Hartz IV' leben», sagt eine Mutter. Sie kommt mit ihrem Sohn, einer Freundin und deren Tochter fast jeden Sonntag zur Heilig-Geist-Kirche, in der Cantauw und andere Freiwillige das Essen austeilen. «Die soziale Benachteiligung von Familien mit Kindern ist gerade in unserem Stadtteil gravierend», sagt Pastor Heinz-Martin Krauß.

Die Mutter, die von «Hartz IV» leben muss, freut sich über die «Initiative Mahlzeit». Das Essen sei «immer lecker». Putengeschnetzeltes gibt es an diesem Sonntag, dazu Basmati-Reis, Kartoffeln, Kohlrabi und Möhren. «Mein Sohn trifft hier auch andere Kinder», sagt sie und fügt hinzu: «Das ist gut.» Bis zu 40 Kinder und 30 Erwachsene kommen jeden Sonntag essen. Wenn das Wetter schön ist, sitzen alle draußen unter hohen Bäumen.

«Ich hab' mich hier auch mit einem Mädchen angefreundet, das ich früher immer ganz doof fand», sagt Küera. Solche Geschichten höre er oft, sagt Cantauw. «Hier spielt auch der soziale Faktor eine Rolle.» Alleinstehende Mütter hätten sich kennengelernt und angefreundet. Kinder würden ihn fragen, ob sie auch mal Oma und Opa mitbringen dürfen. «Natürlich geht das», sagt er. Für viele Familien sei die Initiative die einzige Möglichkeit, gemeinsam essen zu gehen.

Cantauw ist jeden Sonntag selbst mit dabei. Zumeist bringt er seine zwei Kinder mit. Sie bauen die Tische und Stühle auf, verteilen die Speisen und essen dann gemeinsam mit den anderen Freiwilligen mit. «Natürlich geht dabei Freizeit drauf. Aber wir müssen doch was für die Kinder von hier tun», sagt Ulrike Eichner, Mitarbeiterin von Cantauw und eine der Freiwilligen.

Ins Gespräch kommen
Während der Mahlzeit kommt der Hotelier mit seinen Gästen immer ins Gespräch. Oft geht es darum, wie die Woche war. Nach den Gründen, warum die Kinder und ihre Eltern zur Mahlzeit kommen, fragt er nie. «Hier soll keiner vorgeführt werden», erläutert er. «Die Initiative ist keine Armenspeisung, sondern eine Einladung.»

Zwischen zwei und drei Euro kosten die Speisen und Getränke pro Person. Die Kosten teilen sich das Hotel und dessen Lieferanten. Gekocht wird in der Hotelküche. Meist ist es gutbürgerlich. Es gibt Fleisch, Fisch, Kartoffeln, Nudeln, Reis und viel Gemüse.

Bekanntgemacht hat Cantauw seine Aktion über Faltblätter an Schulen und Kindergärten. Zur ersten Mahlzeit kamen gerade einmal zwei Gäste. Doch schnell wurden es immer mehr. Einmal habe das Essen kaum gereicht. «Aber das war kein Problem. Wir können immer etwas nachholen», sagt der Hotelier. Die Zahl der Gäste sei unbegrenzt, fügt er hinzu: «Jedes Kind, das kommen will, darf kommen.»