Humanisten fordern eigenes Unterrichtsfach

Klage vor dem OVG

Religion ist nicht ihr Ding. Genau deshalb fordert der Humanistische Verband ein eigenes Schulfach als Ersatz für den Religionsunterricht in NRW. Nach dem Gang durch die Instanzen soll jetzt das Oberverwaltungsgericht entscheiden.

Autor/in:
Carsten Linnhoff
Islamischer Religionsunterricht (dpa)
Islamischer Religionsunterricht / ( dpa )

Der Humanistische Verband fordert für Nordrhein-Westfalen das Unterrichtsfach Humanistische Lebenskunde als Alternative zum Religionsunterricht. Die CDU/FDP-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) hatte das im Jahr 2007 abgelehnt. Auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf sagte 2011 Nein zu dem Wunsch. Jetzt befasst sich am Dienstag (14.1.) das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster mit dem Thema. Staatsrechtler geben dem Landesverband NRW gute Chancen. In anderen Bundesländern wie in Brandenburg ist das Fach längst eingeführt. Die Resonanz der Schüler auf das Angebot ist allerdings gering.

Lehrinhalt sind nach Angaben des Verbandes Erkenntnisse über die Natur und die Gesellschaft. Dabei stehen Verantwortung, Selbstbestimmung und Toleranz im Mittelpunkt der weltlich-humanistischen Traditionen. Der Humanistische Verband ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Damit erfüllt der Verband eine wichtige Voraussetzung, die den Islamverbänden in der Vergangenheit oft gefehlt hatte: Deshalb wurde ihnen zwar der religiöse Wunsch nach Islam-Unterricht zuerkannt, aber es fehlte die Anerkennung als öffentliche Organisation.

Beim Humanistischen Verband ist es genau umgekehrt. Sowohl Landesregierung als auch das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Az.: 18 K 5288/07) hatten laut dem Geschäftsführer des Humanistischen Verbandes NRW, Jens Hebebrand, ihre Ablehnung mit dem Hinweis auf die fehlende Bindung an eine Religion begründet. "Ministerium und Gericht beriefen sich stets auf die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen und das Schulgesetz in NRW", erklärt Hebebrand.

Das Verwaltungsgericht hatte ausgeführt, dass Religion und Weltanschauung zwei paar Schuhe seien, der Kläger könne eine Gleichbehandlung mit Religionsgemeinschaften im Rahmen des Grundgesetzes nicht beanspruchen. Das Schulministerium ließ kurz vor der Verhandlung in Münster mitteilen, dass es bei seiner juristischen Sicht bleibe.

Genau darin sieht der Jurist Janbernd Oebbecke von der Uni Münster die Chance für die Humanisten: "Landesregierung und Verwaltungsgericht haben einen Aspekt im Grundgesetz völlig außer Acht gelassen", so der Professor für Öffentliches Recht. Oebbecke verweist auf den Artikel 140 des Grundgesetzes, der mehrere Rechtsnormen der Weimarer Verfassung übernommen hat. Darin heißt es in Artikel 137: Den Religionsgesellschaften werden die Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen. "Damit hat auch der Humanistische Verband die gleichen Rechte wie beispielsweise die Kirchen", so Oebbecke zur Nachrichtenagentur dpa.

Nach Zahlen des Humanistischen Verbandes sind mindestens 25 Prozent der Schüler in Nordrhein-Westfalen konfessionslos. "Nach einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2008 haben 34 Prozent der Schüler in NRW Interesse an Humanistischer Lebenskunde", sagt Hebebrand.

"Juristisch gesehen hat der Humanistische Verband gute Aussichten. Was aber dann in der Praxis aus dem juristischen Erfolg wird, ist eine andere Frage", sagt Oebbecke. Er hat Zweifel, dass es überhaupt genügend Schüler gibt, die Interesse am Schulfach Humanistische Lebenskunde haben.

In Brandenburg gibt es das Fach seit dem Schuljahr 2007/2008. Nach Auskunft des Schulministeriums in Potsdam besuchen im laufenden Schuljahr 105 048 Schüler die Stufen 1 bis 6 (in Brandenburg gibt es eine sechsjährige Grundschule). 1523 von ihnen haben sich landesweit für Lebenskundeunterricht entschieden, das sind etwa 1,5 Prozent.


Quelle:
dpa